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DRNTTCKS

»Die Republik von Eso«

Das andere Internet

Mit Blick auf die Selbst- und Fremdwahrnehmung ist die Abweichung die Norm. Sähe man sich mit den Augen der anderen, es kämen einem mitunter die Tränen; ob aus Freude oder Kummer, das sei dahingestellt. Das Nürnberger Duo DRNTTCKS diagnostiziert im digitalen Waschzettel zur Veröffentlichung den »Aufstieg rechter Esoterik«, um »mit dem Album und Konzerten vor der neoliberalen Zustandsverwaltungspolitik der SPD und dem fossilen Faschismus eines Friedrich Merz [zu] warnen«. Die beiden Eierköpfe finden sich auch auf dem Back-Cover von »Die Republik von Eso« und vorne drauf sitzt, ästhetisch an die Malerei von Otto Dix angelehnt, eine Aluhutträger*in. Ob dieser Rahmung und der garstig anmutenden Oberflächenästhetik könnte man jetzt meinen, das Duo spiele Crust-Punk oder Harsh-Noise und zöge zornig republikweit durch besetzte Häuser und über Bauwagenplätze. Dem ist aber nicht so. Nicht mal im Ansatz. Die Musik der beiden entspricht überhaupt nicht den zitierten rhetorischen Phrasen und die so eingenommenen pessimistischen und finsteren Posen stehen ihnen nicht und wirken abschreckend. Denn Rhetorik hin, Ästhetik her, was das Duo musikalisch präsentiert, ist eigentlich ganz schön. Unter Einbringung einer Vielzahl elektronischer Elemente und der spärlichen Verwendung üblicher Instrumente (Gitarre, Klarinette etc.) fabrizieren DRNTTCKs eine instrumentale Mischung aus Post-Punk, Post-Rock und Post-Indie-Electronica, Musik, die zwischen Sehnsuchtsorten wie Leeds (1977, Gang of Four), Chicago (1996, Tortoise) und Landsberg (1991–2007, Hausmusik) hin und her pendelt und in ihrer milde experimentellen Ausdrucksweise weder nervt noch provoziert. Und das ist gar nicht schlimm! Im Gegenteil. Die Aufmachung der Veröffentlichung entpuppt sich in dieser Hinsicht als Mogelpackung, die ätzenden symbolischen Gesten und rhetorischen Figuren finden in der Musik keine Entsprechung. Warum, frage ich mich, hat sich die Band das in dieser Weise ausgedacht und sich damit aus meiner Sicht ein Bein gestellt? These: Die abweisende Präsentation ist Ausdruck des schlechten Gewissens zweier Menschen, die als Freizeit-Musiker im Proberaum einen Zufluchtsort finden, einen Unterschlupf zur Regeneration – dafür muss man sich nicht schämen oder zur Legitimation schwere Geschütze auffahren. Selbstsorge ist okay, und die so entstandenen, freundlich gestimmten, an elektronischen Krautrock erinnernden Kompositionen können sich hören lassen: Nach Feierabend oder am Wochenende, wenn man wieder einen Tag oder eine Woche unter der bereits zitierten »neoliberalen Zustandsverwaltungspolitik« überstanden hat. So viel Leiden an der Gegenwart mag die Musik spiegeln, aber durch die Ausführung doch eher wie Balsam für die Seele wirken. Ein Hype-Sticker auf dem Album hätte genügt: »Kann Spuren von Gesellschaftskritik enthalten!« Um es noch einmal deutlich zu sagen: Die zugänglich-verspielte experimentell-elektronische Musik der im Eigenverlag herausgegebenen Vinyl-Veröffentlichung könnte sicher eher ein Publikum finden, wäre sie nicht von unnötigem semantischem Stacheldraht umzäunt. Das ist bedauerlich, aber vielleicht findet das Album ja noch hier und da trotzdem Gehör. 

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Text
Holger Adam

Veröffentlichung
10.04.2025

Schlagwörter

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