Den Preis für den am kunstvollsten sterbenden Schwan wird Isaac Brook nie kriegen. Auch diverse Hipness-Trophäen und sonstiges Sympathieträgerzeugs werden an ihm bis in alle Zukunft spurlos vorübergehen. Isaak Brook ist nicht hip, wird es nie sein. Die Welt kennt ihn sowieso nur, weil irgendein Frühstücksflocken- oder Mobilfunkkonzern sich »Float on« von der 2004 erschienenen »Good News For People Who Love Bad News« als Videoclipbeschallung ausgesucht hat. Und weil das eine typische Modest-Mouse-Minimalmelodie war, haben plötzlich auch die Verkaufszahlen gestimmt. Und das war’s dann bereits: Isaac Brook, Sänger, Gitarrist und Mastermind von Modest Mouse, ging zum Pop-Regenbogen. Und sang dabei: »I’m trying to sleep away the part of the day that I cannot drink away«.
And I’m sorry if I dissed you
Mit solchen Trailertrash-Selbstenthüllungen kommt man normalerweise nicht über einen Regionalstatus hinaus, oder? Irgendwo da stecken Modest Mouse auch fest. Zwischen (immer noch) hopelessly devoted fans und Gelegenheitshörern, die sich an der Sperrigkeit und Rotzattitüde von CDs und Live-Auttritt delektieren, trotzdem aber … irgendwas muss an dieser Band mit ihren 1,6 Millionen fb-Fans doch dran sein?! Ist es auch, aber sicher nicht auf den ersten Blick oder auf das erste Hinhören. Das nennt man in einschlägigen Musikjournalismuskreisen üblicherweise »Indie-Charme« oder »raubeinige Attitüde«. Ein Hauch von Punk steckt in diesem verhatscherten, verbeulten, radikal subjektiven Indiepop tatsächlich drinnen, auch wenn das womöglich bloß heißt, dass Isaac Brook vor allem ein großer Arsch ist. Einer von den Typen, die es zwischenmenschlich total versauen, aber darüber auf so entwaffnende Weise singen können, dass man bereit wäre, ihm alles zu verzeihen, wenn er sich nicht danach wieder genauso beschissen verhalten würde.
Aber egal, darum geht es ja nicht. Lassen wir den Menschen dort wo er ist, und krallen uns stattdessen seine Kunst. Die ist so umstritten wie der Mann selbst. Die Songs auf den CDs changieren zwischen sperrig und fahrig, zwischen überfrachtet und kauzig. Technisch betrachtet ist nicht viel dran. Es ist ziemlich eckig gespielter Folkrock, mit Mut zum formalen Experiment aber auch zum Krach, nicht selten mit großartigen Ûbergängen und Zuspitzungen. Aber die Songs kommen, vor allem auf den ersten CDs, mit soviel Attitüde daher, entwaffnend und zynisch zugleich, dass sie eben vor allem zu einer Frage der spontanen Zuschreibung, der spontanen Sympathie werden. Hier stimmt die Plattitüde tatsächlich: Modest Mouse liebt man oder liebt man nicht. Dazwischen gibt es recht wenig. Um zu einem Jünger zu werden genügt jedenfalls nicht, einfach mal in eine CD hineinzuhören. Modest Mouse gehört zu jenen Bands, die man selbst entdecken muss. In welchem Müllhaufen auch immer man dafür wühlen muss.
Baron Bullshit rides in Vienna
Ob ein Live-Konzert dafür der richtige Auftakt ist, das ist fraglich. Wer wegen den British Sea Power oder Frightened Rabbit hingeht, wird sich vermutlich fragen, was dieser melodieverseuchte Krach eigentlich soll? Und ob denn dieser Mann überhaupt singen kann!? Okay, da erkennt man eine Melodie, aber da wird sie schon wieder zersägt, falsch gesungen, zu laut, zu krachig wiederholt, malträtiert, uff. Aber das würde man ja schulterzuckend hinnehmen, wenn es nicht ein paar Typen gäbe, die sich ein wenig so verhalten, als würden sie einem Gottesdienst beiwohnen. Als würden sie sagen: »Herr im verfickten Himmel, Modest Mouse live in Wien! Weihnachten ist heuer am 20. Juni. In der Arena.« Tja. Es werden sich jedenfalls die Geister scheiden, aber egal. Modest Mouse- Fans wissen ohnehin was sie erwartet. Und wer weiß, vielleicht erleben die Fans von British Sea Power oder Frightened Rabbit ja den Beginn einer wundervollen, neuen musikalischen Freundschaft. Jedenfalls, der 20. Juni wird ein großartiger Abend in Wien.