Seltenheitswert hatte das Ereignis schon: SAUL WILLIAMS, legitimer Chuck D-Nachfolger und unverwechselbarer Slam-Poetry-Prophet, kuratiert eine ganze Nacht des Donaufestivals und lädt bekannte und weniger bekannte Größen aus seinem Umfeld ein, mit ihm zu musizieren. Und von Beginn an ist klar, dass das Perlen der HipHop-Kunst sind, die uns da präsentiert werden, immer wieder aufgelockert von den DJ-Sets von FROSTY und DAEDELUS.
SUHEIR HAMMAD und BEAU SIA eröffneten den Abend mit einer sensationellen Performance als Spoken-Word-Artists. Gedichte, die mit einer seltenen Kraft und Schwindligkeit Inhalte forcieren, wurden hier zum Besten gegeben, die zwar auch auf Papierform anregend sind, aber durch die Live-Wiedergabe ungemein intensiver und aufregender wirken. Das gesprochene Wort als mächtigstes Instrument des Menschen, teilweise nachzulesen auf http://www.suheirhammad.com/. Auch kraftvoll-poetisch, aber mit etwas mehr Instrumentierung, ging die Songwriterin MIA DOI TODD vor. Zwischen Klavier und Gitarre pendelnd wurden hier zärtlich-berührende Momente kristallisiert und Mias Stimme elegant in die zerbleichenden Songs eingewoben. Diese Stimme, die schon Dntel, Folk Implosion, Prefuse 73 oder eben Saul Williams bereichert hat, ist auch das Markenzeichen von Mia, auch wenn sie manchmal gefährlich an Tori Amos auf Folk-Kurs erinnert.
Ganz anders, weil knackig-elegant, war die Show von BEANS, der sich – sichtlich spaßgetrieben – keine Ruhe gönnte und blödelnd-arrogant, aber wohltuend locker das Publikum erheiterte. Futuristische Beats ringen hier um die Wette mit sexy Vocals, wobei das Experiment in Soundästhetik immer im Hinterkopf behalten wird. Weit jenseits des HipHop war hingegen MARTIN LUTHER anzutreffen: Soul mit großer Band und emotional geladener Stimme. Allzu gefällig wirkte es stellenweise, wenn die Gitarrenriffs gar zu banal und die Rhythmen ungefährlich wurden.
Sehr versöhnlich ging es aber zu Ende, als Großmeister SAUL WILLIAMS persönlich die Bühne erklomm. Zentnerschwere Riffs und Beats, schwindlige Lyrics und eine Geschwindigkeit sondergleichen prägten für alle den druckvollen Schlusspunkt dieses tollen Abends. Saul Williams, der Rebellion, Musik und Stimmgewalt vereint wie kaum wer anderer, ist also auch als Kurator doch eine empfehlenswerte Kategorie.
Die Samstag-Nacht wurde eröffnet von einem eigens für das Donaufestival erschaffenen Projekt, das seinesgleichen sucht: THE DÄLEK/I-WOLF BIGBAND vereint die Soundtüfteleien von Wolfgang Schlögl mit der HipHop-Gewalt von Dälek aus New Jersey. HipHop-Avantgarde mit extremer Soundlage und krachigem Noise-Appeal schichtet hier Klangdecken übereinander, bis sie von klugen, aber exzentrischen Beats unterrollt werden, um als Schatten weiter durch die Songs zu schwirren. Großartig, wie es Industrial schon seit Jahren nicht mehr war. Druckvoll, wie es HipHop wohl seit Public Enemy nicht mehr war.
VAST AIRE schickte ein locker gestaltetes Set hinterher, das mit zwei MCs zwar Spaß, aber nicht allzu viel mehr verbreiten konnte. Sicher war das gekonnt, was die aufführten, aber legitimes Canibal Ox-Erbe sollte etwas mehr Dynamik und vielleicht ein paar Kanten mehr im Rhymeflow zeigen. TTC aus Frankreich war, was das Können anbelangt da noch eine Spur weiter. Auch jenseits der 100 bpm-Marke verstehen es die Franzosen präzise die druckvollen Samples und Rhymes aneinanderzureihen, was vor allem für Tanzwut sorgte. Eine Daft Punk-Party auf Hochtouren, mit einem kräftigen Schuss Humor und Selbstbewusstsein, das auch durch den Gast BUSDRIVER, Wortakrobat und Rap-Koloss, sympathisch vermittelt wurde. Disqualifiziert haben sich die jungen Herren allerdings mit der Mädchen-auf-die-Bühne-hiev-Nummer. Sollte eigentlich nicht nötig sein, so ein gutes Publikum mit so bescheuerter Fleischbeschau zu entwürdigen.
Zu guter Letzt wartete noch ein Großer auf seine Performance: MIKE LADD. Ein Tom Jones, der sich im Intro gleich als der »HipHop Harry Potter« ausgibt, und dabei enorm gut aussieht, ist wahrlich eine Seltenheit. Mike Ladd ist ein ausgefuchster Poet, ein schnelllebiger Verweis-Zirkus, der von Soul, Blues, Spoken Word und hundert anderen Ingredienzien lebt. Irrationale Dekonstruktion mit politischem Pop-Appeal meint hier: »Ein Mitglied der Gesellschaft zu sein heißt, die Gesellschaft zu TESTEN – aber auf eine konstruktive Art!«, so Mike Ladd im O-Ton. Ein großer Typ, auf jeden Fall, der schlussendlich auch den Bogen zurück spannte und ein paar Tracks mit dem ehrenwerten Beau Sia einstimmte. Ein furioses Duo als Abschluss eines furiosen Wochenendes.