Es scheint, was einmal mit »Play Bach« anfing (Anfangs der sechziger Jahre, mit dem Pianisten Jacques Loussier), habe im Laufe der Jahre eine eigenständige Entwicklung angenommen: Die musikalische Verbindung zwischen Klassik und Jazz wurde auf verschiedenste Weise erprobt und fortgesetzt. Erinnert sei an das legendäre Trio um den rumänischen Pianisten Eugen Cicero (u.a. mit einem sensationellen Niels Henning Örsted Pedersen am Kontrabass). Klassische Themen, die virtuos und lustvoll kurzerhand über jazzige Harmoniefelder geschickt wurden. Die halsbrecherischen Improvisationskünste waren allerdings nicht für jedermann, nicht für Klassikpuristen, und auch manch eingefleischter Jazzer hatte seine liebe Mühe. Der Hörer stand diesem Zwitterding zeitweise recht ratlos gegenüber. Und heute? Heutzutage hat sich das »Crossover« längst etabliert. Kaum jemand, der sich daran noch stören könnte.<
Bedauerlicherweise hat sich Crossover zu einem bloßen Mittel des Marketings entwickelt. Renommierte Labels schmücken sich damit und beanspruchen diese Bezeichnung im Rahmen der »Verkaufsoptimierung«. Nach wie vor gibt es hervorragende Musiker, die dessen ungeachtet in ihren musikalischen Kreuzungen eine pure Spiel- und Experimentierlust verströmen. Der deutsche Pianist Ekkehard Wölk darf sich zu ihnen zählen. So wie Mozart ein grandioser Virtuose auf dem Hammerklavier war, ist Wölk ein Tastenzauberer am modernen Konzertflügel und darüber hinaus ein einfallsreicher Improvisator mit viel Esprit. Ekkehard Wölk wurde 1967 in Schleswig-Holstein geboren und als Musiker sowohl in der Klassik und im Jazz bestens ausgebildet. Vielleicht bezeichnend, dass gerade diese Generation ebenso selbstverständlich mit Rock-Musik aufwuchs und alleine von daher keine Berührungsängste kennt.
Auf »Reflections on Mozart« sind elf bekannte Mozartthemen eingespielt, mittlerweile gängige Gassenhauer und damit schon wieder Pop-Musik im weitesten Sinne wie »Dies Bildnis ist bezaubernd schön«, »Là ci darem la mano / Reich mir die Hand, mein Leben oder Ah vous dirai-je Maman«. Was beim Anhören besonders gefällt, ist die stets erkennbare Grundstruktur der einzelnen Kompositionen. Wölk seziert und verstümmelt nicht oder nimmt gar die Vorlage als reinen Selbstzweck, um seine eigene Virtuosität show-gerecht voranzustellen. Es handelt sich viel mehr um ein Weiterspinnen von Themen, aus einer respektvollen Distanz, mit einer hingebungsvollen Nähe. Handwerklich geht Wölk dabei ähnlich vor wie Mozart. Die Themen werden improvisierend erarbeitet und später aufs Notenpapier gebracht; spontan aufkeimende Gedanken und spielerische Querverläufe, die sich später in Zeichenform wiederfinden. Mag das Mozart-Jubeljahr längst in Schall und Rauch aufgegangen sein, es lohnt sich über den Tag hinaus, diese äußerst gelungenen Einspielungen anzuhören, die in ihren einzelnen Charakteren einzigartig sind.
Ekkehard Wölk: »Reflections on Mozart« (NABEL 4708)