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Die zweigeteilte Frau (La Fille coupée en deux)

Der neue Chabrol ist da: Der Regiealtmeister inszeniert die Geschichte einer prekären Dreiecks-Beziehung, in der die bessere Gesellschaft wie immer auch ihr Fett abkriegt.

Gabrielle Deneige (Ludivine Sagnier) ist Anfang 20, bildhübsch und präsentiert den Wetterbericht im TV. Der Erfolgsschriftsteller und Intellektuelle Charles Saint-Denis (Francois Berleand) könnte eigentlich sogar ihr Gro&szligvater sein, doch Gabrielle lässt sich von ihm umwerben und geht ohne Bedenken eine Beziehung mit dem viel Älteren ein. Die drängende Werbung des Millionenerben Paul Gaudens (Benoit Magimel) schlägt sie aus. Doch der elegante draufgängerische Playboy (der sicher nicht zufällig auf junger Oskar Werner gestylt ist) versucht Gabrielle weiterhin für sich zu gewinnen. Als St. Denis der Anhänglichkeit seiner jungen Geliebten überdrüssig wird und er sich einfach aus dem Staub macht, kann Paul endlich bei seiner Angebeteten punkten. Gegen den Willen seiner herrischen Mutter führt er sie zum Traualtar. Bald erkennt er, dass seine Frau immer noch Charles Saint-Denis liebt. Diese Erkenntnis kann der psychisch labile Paul nicht ertragen. Er begeht eine Verzweiflungstat.

Schein

Die scheinbar naive und beeinflussbare Gabrielle erweist sich letztlich als starke und auch reife Persönlichkeit, während die männlichen Protagonisten zu Gefangenen und Opfer ihrer Lüste und Gefühle werden. Gabrielle erfährt Höhen und Tiefen der Liebe, Demütigung, Verachtung, Verlust. Sie schafft es, all dies zu verarbeiten und unbeschadet aus der Affäre zu gehen. Ihr Bezug zur Realität ist ein pragmatischer. Als TV-Moderatorin sind ihr die Mittel zur Herstellung scheinbarer Realitäten bekannt (beachtenswert ist, dass die männliche Hauptbezugsperson in ihrer Familie, Onkel Denis, Varietekünstler/Magier von Beruf ist). Die gehobene bürgerliche Welt, in der sich St. Denis und Paul Gaudens bewegen ist voll von überkommenen Konventionen. Es geht darum, eine perfekte Scheinfassade zu wahren, hinter den Kulissen geht es dafür umso weniger fein zu.

Heiligkeit

Heuchelei und Scheinheiligkeit der bürgerlichen Klasse sind Themen, die Claude Chabrols Werk durchziehen. In »Die zweigeteilte Frau« macht er sich den Spa&szlig mit Wortspielen und Doubletten auf die Doppelbödigkeit der Gesellschaft anzuspielen. So ist es wohl kein Zufall, dass Gabrielles Geliebter St. Denis hei&szligt und der Vorname ihres Onkels ebenfalls Denis ist. Der Heilige Denis Missionar, Märtyrer, erster Bischof von Paris und Frankreichs Schutzpatron verhilft dem Schriftsteller Saint-Denis gewisserma&szligen zu einer Deckung und Verschleierung seiner wahren Persönlichkeit. Paul weist darauf hin, dass er zwar ein Saint im Namen habe, aber »Sie sind kein Heiliger«, schleudert er seinem Kontrahenten entgegen. Der Name Denis leitet sich von Dionysos ab und in der Tat erweist sich der Autor Saint-Denis als lüsterner Satyr. Dionysos gilt jedoch auch als Gott der Illusion. Onkel Denis erweist diesem Namenspatron als Illusionist durchaus die Ehre.

»Die zweigeteilte Frau« (R: Claude Chabrol, Frankreich/Deutschland 2006)
Seit 11.1.2007 in österreichischen Kinos

 

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Text
Jenny Legenstein

Veröffentlichung
15.01.2008

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