»Die Kinder der Toten« © Ulrich Seidl Filmproduktion
»Die Kinder der Toten« © Ulrich Seidl Filmproduktion

Der Tod ist die Liebe – Die Liebe ist der Tod

Kelly Copper und Pavol Liska verfilmen den Roman-Wahnsinn »Die Kinder der Toten« von Elfriede Jelinek und das Ergebnis ist wie zu erwarten der Horror: Heimatlich, österreichisch, menschlich.

Es gibt wenig, das einen so großen Ekel erregt wie Österreich. Bevor jetzt jemand laut schreit: »Nicht alles an Österreich löst einen so großen Ekel aus!« Ja, nicht ALLES! Es geht um die IDEE von Österreich, die einen so großen Ekel auslöst! Und deren ständige Verwirklichung. Österreich ist gelebte Real-Satire, ein wunderbares Ding, über das man wunderbar trashige Filme drehen kann, zum Beispiel, und je übertriebener sie sind, desto realer wirken sie. Kelly Copper und Pavol Liska haben den Roman »Die Kinder der Toten« von Elfriede Jelinek verfilmt und Ulrich Seidl, der sich mit der Essenz Österreichs doch recht gut auskennt, hat das produziert. Was dabei herauskam ist Body-Horror, Psychological-Horror, Heimat-Horror, Gothic-Horror, Zombie-Film, Satire.

Schon in der Anfangsszene wird einem ganz österreichisch-heimatlich zumute. Ein äußerst unangenehmes Gefühl fährt einem durch die Lenden, während ein Auto durch die schlangenförmigen Straßen der steirischen Waldlandschaft zieht, das Bild so Super-8-60s/70s-Home-Cinema-Style, also verwaschen, rauschig, erinnerungsmäßig, die Grüntöne bis ins Gelbliche ineinander verschwimmend, wie früher halt, wie auch in den Nazifilmen. Die fantastische Musik des österreichischen Komponisten Wolfgang Mitterer, dessen Trompeten wie das Seufzen der Bäume über die im Viervierteltakt klimpernde Dorfkapelle klingt und dessen schnipselartige, hektische Soundarrangements zum verträumten, viele Zeitschichten einbeziehenden Gesamtbild beitragen. Als nach einem Unfall nämlich die tote Karin in dem Kino einer Naziwitwe die Toten, welche über das Medium Film die Vergangenheit und ihre Liebsten beweinen, in die Gegenwart zurückholt, ist der Spuk perfekt …

»Die Kinder der Toten« © Ulrich Seidl Filmproduktion

Copper und Liska übertragen Jelineks Kritik am Rassismus und Antisemitismus in die heutige Zeit bzw. setzen sie einfach fort, denn geändert hat sich seit Jörg Haider nicht viel, eher im Gegenteil. Strache, Kickl, Gudenus und so weiter führen sein Werk einfach fort und in den syrischen Flüchtlingen sehen sie ihr perfektes Feindbild. Hier treten sie auf als hungrige Flüchtlinge, bekommen aber keine Hilfe, von niemandem, werden wie Tiere behandelt. Hilfe bekommen hier nur die Toten und werden betrauert und betrauert, bis in den Tod. In Österreich interessiert man sich ja eh nur für seine Toten (Mozart, Falco, Hitler). Deshalb bekommt man vor allem Menschen zu Gesicht, die das Lebendige hassen, denen selbst das halbgare Schnitzel nicht tot genug ist. Feiern tun die toten Nazis und Juden in der Pension Alpenrose, einem Tor in die Vergangenheit, wo alles aufeinandertrifft. Alles recht wild, versaut, aufwühlend, mitunter lustig, mitunter nervig wegen der Kalauer und Selbstreferenzen, doch immer heftig, erschreckend, deutlich auf das Wesen Österreichs verweisend, das seine Geschichte verleumdet, aber seine Toten beweint.

Link: https://www.berlinale.de/de/programm/berlinale_programm/datenblatt.html?film_id=201916234

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