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Der heilige Gral des Aufklappens

Eine kurze, subjektive Würdigung des am 18. April verstorbenen Grafikers Storm Thorgerson. Der Engländer ist bestens bekannt durch heute kaum noch gebräuchlichen Alltagsgegenständen: Plattencovers.

Ihr jungen Lausebengels, ihr habt ja keine Ahnung mehr, wie das damals war. Wenn ich heute eine CD empfehle (oder gar eine LP), dann höre ich oft: »Na geh, wer kauft denn noch CDs?«, oder: »Dafür schleppe ich meinen Astralleib doch nicht in einen Plattengeschäft!«, oder: »Gibt’s das eh auf Spotify?«
Ja, eh. Hätte es damals, so Mitte der 1970er, Spotify gegeben, vermutlich wäre es mir auch wurscht gewesen. Dieses ganze Tamtam rund um die Haptik, um das Habenwollen, Habenmüssen, Sammeln. Und vor allem wäre ich wohl dankbar gewesen, so viel Musik für so wenig Geld zu bekommen. Bloß hätte es dann die halbe Rockgeschichte danach nicht mehr geben können – wegen Unrentabilität abgesagt. Punk wäre vermutlich eine soziale Bewegung gewesen, um Rock ’n‘ Roll-Musiker vor dem Verhungern zu bewahren, anstatt eine Gegenbewegung zur Degeneriertheit und Dekadenz im Rock zu sein. (Pah, Dekadenz, wer hätte sich das denn leisten können?)

Gelobt sei das Plattencover
Aber das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist, es gab nicht nur keinen allgemeinen Ausverkauf und keine große Erschwinglichkeit, es gab auch kein stets verfügbares Ûberangebot an Images, Icons und Items. Es gab keinen Laptop zuhause, der Fernseher sendete großteils noch Schwarzweiß, auch Musikmagazine geizten lange Zeit mit bunten, ganzseitigen Bildern. Wer die Bilderwelt des Rock ’n‘ Roll kennen lernen wollte, musste ins Konzert oder ins Plattengeschäft gehen. Und dort gab es, Gott hab es selig, das Plattencover. Und als Krönung, als Eyecatcher, das aufklappbare Plattencover. Hallelujah!
Und unter allen Plattencovers, die es damals zu bestaunen gab, die damals wirklich ein Gefühl des Haben-Wollens, des sich damit Schmücken-Wollens, des sich damit endlos Befassen-Wollens, auslöste, hatte ein Name, ein Begriff eine ganz besondere Ausstrahlung. Der Begriff lautet »Hipgnosis«. Hinter dieser Bezeichnung versteckte sich das Grafikstudio von Storm Thorgerson und Aubrey Powell. Der Name selbst, angeblich von einem Graffiti gestohlen, mischt die hippe Gnosis mit der Hypnose, spielt sich halb-surreal, halb-witzig mit Bedeutung. Und genauso waren auch die Covers des Studios, viele davon legendär, viele davon zum An-die-Wand-Hängen, zum Sich-darin-Verlieren. Hipgnosis waren der Surrealismus der Bohème, die erschwingliche Art für den einfachen Konsumenten. Sie sorgten dafür, dass eine Platte nicht bloß ein Musikträger war, sondern ein Kleinod, ein haptischer Schatz. Vermutlich haben diese Covers mehr zur Kunsterziehung beigetragen als jede noch so subventionierte Ausstellung. Egal.

Covers on Parade
thorgerkomp.jpgZurück zum Ausgangspunkt. Das vermutlich berühmteste Cover von Hipgnosis ist »The Dark Side Of The Moon« für Pink Floyd. Die großartige Sache mit dem Prisma. Weltallbekannt. Das vermutlich postertauglichste Cover war »Houses of Holy« für Led Zeppelin. Die kleinen Mädchen auf den Felsen. Große, psychedelische Machokunst. Eines der witzigsten Covers war »Love Drive« für die Scorpions (Ich will auch Kaugummi sein) oder »How Dare you?« für 10cc (»Wrong Number?«). Das vermutlich inhaltlich durchgeknallteste Cover war »The Lamb Lies Down On Broadway« für Genesis (dieser Parallelweltenunfug, der englischsprachigen Menschen dieses musikalische Meisterstück für immer vergällt hat). Das vermutlich aufwändigste, zugleich mysteriöseste Cover war »Wish you were here« für Pink Floyd (schwarze Zellophanhülle, darunter der feurige Handshake). Und dann wären noch weitere Covers, meist für das Label Harvest (eine EMI-Tochter) entwickelt: Black Sabbath, AC/DC, Emerson, Lake & Palmer, The Wings und so viele, viele mehr. Kein Lexikon der Rock-Ikonographie kommt heutzutage an Hipgnosis vorbei. Zu Recht. Storm Thorgerson ist vorige Woche, am 18. April 2013, verstorben. Wir ziehen unseren Hut.

»  Ûberblick Plattencovers

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Text
Curt Cuisine

Veröffentlichung
26.04.2013

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