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!Dela Dap

Das Projekt Dela Dap hat seine geografische Basis in Wien. Von diesem Ort aus schweift der musikalische Ansatz vor durch den näheren Osten, zu den Roma der Slowakei, Ungarns und weiter. Initiator Stani Vana ging es nicht um folkloristischen Purismus auch Pusztaklischees erwiesen sich als wenig hilfreich.

Das Projekt Dela Dap hat seine geografische Basis in Wien. Von diesem Ort aus schweift der musikalische Ansatz vor durch den näheren Osten, zu den Roma der Slowakei, Ungarns und weiter. Initiator Stani Vana ging es nicht um folkloristischen Purismus auch Pusztaklischees erwiesen sich als wenig hilfreich.

Die Sozialisation im Ostblock-Prag prägte Stani Vanas Idee von Popmusik: Sie sprengt Grenzen und wirkt völkerverbindend. Auch der Erstkontakt mit Roma geschah in der Zeit des eisernen Vorhangs, allerdings lange bevor Gedanken über Popmusik wichtig waren: Die Unruhe in der Hauptstadt nach dem Prager Frühling schien seinen Eltern zu gefährlich, der 5jährige Stani wurde zur Tante in die Slowakei geschickt. Dort waren Roma in der Nachbarschaft, die sozial weder integriert noch geachtet waren. Sich mit den Romakindern zu prügeln war wohl okay, wenn die Erwachsenen ohnehin schlecht über deren Eltern redeten. Dass die Nachbarn musikalisch waren, blieb Vana aber in Erinnerung.
Ein Flashback gab es vor fünf Jahren beim Urlaub in der Hohen Tatra, wo in der Berghütte eine fetzige Romaband aufspielte. Stani Vana beschloss, sich mit dieser Musik näher zu befassen. Er dachte an ein Sampling-Projekt, ähnlich wie seine »Indian Masala«-Mixes mit Hans Kulisch. Die fast romantische Idee von einer Fahrt nach Ungarn und der Suche nach Musikern in den Dörfern der Puszta scheiterte aber an der Realität: »Die passenden Musikanten waren alle ausverkauft und in Grinzing, Deutschland oder der Schweiz.«, erklärt Vana im Interview.
Schließlich wurden Kontakte über Soul-Seduction-Boss Alexander Hirschenhauser hergestellt. So entstand laut Vana der harte Kern von Dela Dap. Die Musiker waren in Wien keine Neuentdeckungen mehr, aber ihre Roma-Identität spielte bisher keine Rolle in ihrer Arbeit: Melinda Stoika sang vor allem klassisches Barrepertoire. Ihr Vater Tibor Barkozcy war seit langem der Komponist und Arrangeur für Louie Austen. Akademische Musikausbildung hatte die traditionelle Prägung überlagert.

»Lass uns Songs schreiben, wir machen’s komplett!«

Nun war auch das Sampling-Konzept vom Tisch. Barkozcys Fähigkeiten, vor allem sein vielseitiger Zugang zur Musik, überzeugten Vana. Ein Jahr Songwriting folgte, eine nähere Auswahl, dann ein Jahr reine Produktion: »Die Musiker gaben sich die Klinke in die Hand«, ein ständiges Kommen und Gehen wegen besserer Angebote, darum ist Dela Dap mehr ein Projekt um einige Hauptmitglieder als eine Band. Am Ende hat sich sehr urbane Musik auf dem Album manifestiert, die á la Gotan Project mit Akkordeonakzenten kokettiert. Abgesehen von der Sprache Romanes – Wie weit ist das Endprodukt Roma-Sound? »Es war schwierig die richtige Balance zu finden. Der Anspruch war aber nie der, sich in das Native-Eck zu stellen. Alle Harmonien seien Roma, das wäre eine eigene Musik und Spielart. Wir haben natürlich Sounds gewählt, die wir gerne hören und so produziert, dass jeder damit was anfangen kann, aber wir wollten keinen Kruder & Dorfmeister-Sound schaffen mit Roma-Attitüde.« Die 16tel-lastigen Roma-Rhythmen wirken prägnant, sie gehen einerseits manchmal Richtung Breakbeat, könnten andererseits auch für Latin gehalten werden. Die Exotik von Dela Dap ist nicht gewöhnungsbedürftig.
»Wir haben Sachen gegeneinander ausgespielt, um immer Spannung zu erzeugen. Bei den einen Nummern, haben wir der Romanes-Rhythmik Funk oder Soul gegenüber gestellt. Und urbane Beats haben wir mit typischen Gypsy-Harmonien kombiniert, die etwas schleißig und dahingeschmissen wirken, gleichzeitig aber eine ungeheure Leichtigkeit haben.«Das klingt, als könnte dank implizitem Jazz der Romamusik die Kombination mit urbanen Sounds ganz leicht fallen, es gibt ja auch schon andere Ansätze in dieser Richtung, Stichwort funkiger Bukovina-Brass. Aber: »Ich bin mit Shantel im gleichen Boot, aber auf einem völlig anderen Deck. Ich wollte nicht, dass meine Musik durch den Estam, den starken Offbeat, vereinnahmt wird, und ich wollte auch den Gypsy-Sound nicht mit Beats niederprügeln.« Am Ende ist Stani Vana zufrieden, hinter ihm liegt ein langer Weg im Studio, bei dem in gewissem Sinne die Romaidentität im Produktionsprozess mit drin steckt.

» …wie man die Sachen zusammen funktionieren lässt …«

Stani Vana meint, dass das lange Fehlen geschriebener Sprache und anderer eigener Medien die Romatradition definiert: Das Leben ist nur Moment, entsprechend ist auch die musikalische Interpretation anders, vielleicht intensiver. Gerade deswegen war die Konfrontation mit Elektronik für die Romamusiker interessant. »Ich war mit Musikern im Studio, die alles spielen konnten, aber nicht zum Klick auf 1, 2, 3, 4. Ich habe viel lernen müssen, um zu verstehen, wie man zusammen arbeitet.« Das bedeutete ständige Bereitschaft im Studio »von fünf Uhr früh bis drei Uhr nachts«, um sofort aufzunehmen, wenn die Musiker, von denen Vana überzeugt war, irgendwann auftauchten, und fünf verschiedene Autobahnpickerl, um den Sounds bei Bedarf nachzufahren. Berührungsängste mussten überwunden werden, vor allem die Angst vor Betrug. Auch wenn manche Musiker nur schnell etwas Geld verdienen wollten, sollte Begeisterung für die Sache im Spiel sein. Überzeugungsarbeit war angesagt, »bis die Leute geglaubt haben, dass sie mit ihrem Beitrag etwas beeinflussen können und nicht nur zu irgendeinem Beat spielen. Alle Beteiligten hatten mit der Materie Dela Dap irgendwas am Hut.«
Was können wir aus der Perspektive dieser Reihe sagen? Insgesamt klingt das Album sehr homogen, den beschriebene langwierigen Arbeitsprozess merkt man nicht. Spüren kann man ihn schon, denn trotz aller Eingängigkeit nutzen sich Dela-Dap-Nummern nicht ab. Selbst nach mehrfachem Hören bleiben sie bis zu einem gewissen Grad ungreifbar, als wäre da noch ein Geheimnis.
Dadurch wird Dela Dap seiner Materie gerecht: Roma waren in den letzten Jahrhunderten immer in Europa, egal ob relativ assimiliert und fast unsichtbar in Wien oder am sozialen Rand in der Ostslowakei. Obwohl selten gut über sie geredet wurde, ist uns ihre Präsenz und vor allem ihre Musik so vertraut, dass wir die Einflüsse gar nicht mehr bemerken. Schon in der Vergangenheit ließen sich Komponisten und Produzenten wiederholt davon inspirieren, es scheint unvermeidbar, dass einem da und dort Romamusikanten unterkommen – ob sie nun ihre Musik spielen oder andere interpretieren. In diesem Raum arbeiten Dela Dap und machen genau die Fremdartigkeit, die uns aber eigentlich schon vertraut ist, nachvollziehbar, indem sie sich eindeutig deklarieren: Melinda Stoika singt erstmals in Romanes. Die Musik ist urban und loungekompatibel, verdeutlicht aber so zumindest dem geneigten BoBo-Publikum, dass die Roma-Exotik von einer »anderen«, aber schon lange europäischen Identität herrührt (vgl. Hebdige/Subkultur/Differenz).

Dazu passen auch Stani Vanas Zukunftspläne. Die Dela Dap Band wird für das geplante Livealbum das bekannte Repertoire sicher auch mal erdiger interpretieren, und eine Dorfband in der Slowakei hat schon die nötigen Unterlagen, um die Dela Dap Songs auf ihre Art nachzuspielen. Grundsätzlich bleibt es aber beim urbanen Projekt, zu dem Remixes gehören, »wenn sie Substanz haben und nicht in Laptop-Eskapaden ausarten.«
Dela Dap: »Cigani Ruzsa + Angelo« (Ecco Chamber/Soul Seduction)
ERRATUM zum 6. der Serie: Die Auskünfte zum WOM in skug Vol. 59 gab nicht Andreas, sondern Maximilian Fink.

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Text
Paul Lohberger

Veröffentlichung
11.10.2004

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