Der Belgrader Pianist Bojan Zulfikarpašić, kurz Bojan Z, fiel nicht nur durch seine große Musikalität auf, sondern auch durch eine verblüffende Vielseitigkeit. Klassischer Jazz, Rockmusik, Volksmusik verschiedenster (südeuropäischer) Provenienz und die auch abendländische klassische Tradition scheinen in seinem Spiel auf eine geradezu selbstverständliche Art und Weise integriert zu sein.
1968 in einem hochmusikalisches Elternhaus in Belgrad geboren, entdeckte Zulfikarpašić bereits als Fünfjähriger das Piano und die Gitarre und machte auf beiden Instrumenten erstaunliche Fortschritte, vor allem dank seinem Gehör mit dem er schon früh die richtigen Harmonien zu den Melodien fand, die er nachspielte. Mit dieser schon fast jazzmäßigen Attitüde entdeckte er schnell auch die Beatles, brasilianische Musik und die Klassiker Bach, Ravel und Debussy für sich.
Zulfikarpašić ist schnell vom Geheimtipp zum Shootingstar der europäischen Jazzpianisten emporgekommen und im Dezember 2005 mit dem Hans Koller/European Jazz Prize in Wien ausgezeichnet worden. Mit seinem Trio – bestehend aus Remi Vignolo, Ben Perowsky und Ari Hoenig – erobert er gerade von Frankreich aus die Welt. Irgendwann aber kommt der Punkt, an dem es Pianisten zum Solo-Album zieht. Das geht zuweilen daneben, wenn sie feststellen müssen, dass die Dramaturgie einer Stunde anderen Gesetzen folgt als die einzelner unbegleiteter Passagen. Das kann aber auch zu markanten Stellungnahmen führen, die künstlerische Persönlichkeiten offenbaren. Sein Solo-Programm »Solobsession« präsentiert ihn nun programmatisch ernst und zugleich voller relativierender Details als ästhetisch visionären Eigenbrötler. Aber auch zu anderen Musikern unterhält er Kontakt wie zu dem Gitarristen und skug-Autor Noël Akchoté, und später zum Meisterbassisten Henri Texier und dem in jeder Beziehung außergewöhnlichen Klarinettisten und Multiinstrumentalisten Michel Portal. Mit ihnen konnte er seine Vision einer eigenen Musik, die irgendwo zwischen Jazz und einem weit gefassten Volksmusikbegriff steht, weiterentwickeln. Seine bisher fünf unter eigenem Namen erschienenen Alben für das französische Label Bleu dokumentieren diese Arbeit auf eindrückliche Weise. Gerade das jüngste Trioalbum »Transpacifik« (2003) mit den beiden New Yorkern Scott Colley (Bass) und Nasheet Waits (Schlagzeug) weist ihn zweifellos als großen europäischen Jazzmusiker aus. Hier fließen der amerikanische Jazz und die europäischen Wurzeln von Bojan Zulfikarpašić auf harmonische aber auch faszinierende Weise zusammen. Der Pianist brilliert hier in einem neuen Ambiente mit einem melodischen Erfindungsreichtum und einer rhythmischen Raffinesse, die ihresgleichen sucht. Bojan Z. ist nie stehen geblieben, sondern scheint ständig auf der Suche. Dabei hat er sich stets aktiv mit neuen Umgebungen auseinandergesetzt. Und seine Musik hat dabei immer profitiert. Konsequenter kann man die Vision von einem neuen Europa nicht umsetzen. »Xenophonia«, das neueste Werk, ist die einfühlsamste, komplexeste und schönste Reise durch die widersprüchlichen und gleichzeitig zusammengehörenden Teilen des Balkans und Europas.
Bojan Zulfikarpašić: »Xenophonia« (Label Bleu)