Es ist Freitagabend und als ich das EtaBLISSment verlasse, bin ich mir nicht ganz sicher, ob ich soeben aus dem Jahr 1996 herausgetreten bin. Meine Begleiterin meint, sie werde sich wahrscheinlich vor allem an die Stage-Diver erinnern. In der Tat: Das ganze Konzert war geprägt von frenetischem Interaktionismus zwischen Band und Publikum. Das hat schon bei der Vorband angefangen: »Pulled Apart By Horses«, irgendwo zwischen Electric Six und At The Drive In. Der Sänger singt gerne im Publikum, nah am Menschen. Laut, heiße Drums, fette E-Gitarre. Dann – nach einer längeren Umbaupause – die blutroten Schuhe. Der Name geht zurück auf Ginger Rogers, die sich für eine Stepptanzszene die Füße blutig tanzte. Ballerina sein, ist sicher ein hartes Los.
Na, jedenfalls: Steven Ansell und Laura-Mary Carter kommen auf die Bühne. Und spielen den heißesten Gig ihrer Bandgeschichte. Sagt Steve. Der kälteste war auch in Wien. Dieses Mal also Schwitzen: Alle gemeinsam, Band und Publikum und Vorband, denn die kommt für die Zugabe noch mal mit auf die Bühne. Dazwischen Stage-Diving. Selten hab ich das Flex so gut gelaunt erlebt. Eigentlich noch nie. Der treibende Indie-Rock von Steve und Laura-Mary treibt das Publikum zu sportlichen Höchstleistungen an. Wie im Video zu »Dirty Boots« von Sonic Youth. Total 1990ies, was hier abgeht. Und damit lieg‘ ich auch musikalisch nicht falsch, denn ich werde die Blood Red Shoes jetzt mal guten Gewissens als Grunge-Pop bezeichnen. Grunge: das scheppernde Schlagzeug, die treibenden Gitarrenriffs (dass zwei Menschen auf der Bühne so laut sein können …). Und Laura-Mary Carters verschämt schüchterne Attitüde. Weil sie ernst zu Boden starrt, fast den gesamten Gig lang. Pop: Steve Ansells verdammt witzige Ansagen und Laura Mary-Carters engelsgleiche Stimme. Der Duett-Gesang geht dann schon Richtung Emo-Core. Na, irgendwas muss ja auch Post-2000 sein, und das ist es was die Blood Red Shoes so sexy macht: Disco für alle, Baby.