You will have to find the Frankenstein in you to make it work. If you think this sounds like a recipe for some horrific monster, be assured by us, all music can only be the sum or part total of what has done before. Every number one song ever written is only made up from bits from other songs. There is no lost chord. No changes untried. There is no point in searching for originality.
The Timelords: »The Manual. How to Have A Number One The Easy Way« (1988)
Bill Drummond wurde in Südafrika geboren. Seine Eltern kehrten wenig später nach Schottland zurück, Drummond verbrachte dort eine wechselvolle Schulzeit und schrieb sind dann als Student an der Kunstschule in Liverpool ein. Die praktische Auseinandersetzung mit Musik und Medien begann am 5. Mai 1977 mit der Gründung der Band Big In Japan zusammen mit Holly »Frankie Goes To Hollywood« Johnson. In den folgenden Jahren war Drummond kurzzeitig A&R für WEA und dann Manager für Echo and The Bunnymen, die Julian-Cope-Band The Teardrop Explodes und für die von Stock/Aitken/Waterman produzierte Gruppe Brilliant, bei der der Gitarrist Jimmy Cauty spielte.
Wege nach Trancentral
Bill Drummonds Interesse für Taktiken längs des schmalen Grates zwischen Des- und Information zeichnete sich praktisch von Anfang an ab: Als ein »Justified Ancient of Mu Mu« kennt er die 1970-er-Jahre-Trilogie »Illuminatus« von Robert Shea und Robert Anton Wilson wahrscheinlich rückwärts auswendig. The JAMs ausgeschrieben hat (klarerweise) 23 Buchstaben und die erste KLF-Single »All You Need Is Love« (1988) hatte die Katalognummer JAMS23. Für das »Science Fiction Theatre« von Ken Campbell produzierte Drummond in den frühen 1980ern eine Bühnenfassung des Verschwörungsklassikers »Illuminatus« und auf dem Logo von KLF sind die Pyramide und der Ghettoblaster zu sehen. Arbeitstitel wie »The Justified Ancients of Mu Mu« und »Trancentral« ebenso wie die Plattennamen »Chill Out« (1990) und »The White Room« (1991) weisen auf ein metaphysisch-halluzinogenes Wissen hin, das KLFs »Mumuland« ähnlich komplex erscheinen lässt wie etwa den Unterwasser-Kontinent der Detroiter Drexciya. Die Spuren reichen zurück bis Atlantis: Die sonische Reise des »Last Train To Trancentral« auf der gleichnamigen 7″ endet im »Lost Continent«. Um diese Verfahren wieder ihrer eigenen Absurdität zuzuführen und das Spiel um Informationshaben und -nichthaben weiter zu treiben, hieß die Plattform der Cauty/Drummond-Produkte schlicht K-Communications bzw. K-Foundation und weckt damit Gedanken an eine sterile, militärisch geordnete Semantik. Verschwörungen sind aber immer nur so gut wie die dazugehörigen Theorien.
Cauty/Drummond paktierten nicht mit einer durch geheime Rituale erworbenen oder drogenbeeinflussten höheren Bewusstseinsebene sondern machten sich die inhärenten Kommunikationsströme derartiger Settings zu Nutze und lagerten ihre Viren dort ab. Kurz: Statt Aleister-Crowley-Magick ging es – auch bezüglich der Zahl 23 – eher um Kommunikations-Guerilla-Taktiken aus den Werkzeugkisten von William S. Burroughs und Guy Debord. Anstelle des religös-weltverschwörerischen Pyramidenauges wurde der Ghettoblaster als eine Ikone des urbanen schwarzen 70s-/80s-Lifestyles verwendet. Wohl auch deshalb, weil Drummond vom HipHop (und besonders von Afrika Bambaataa) beeindruckt war, da beide Seiten darauf setzten, nicht-musikalische Produktionsweisen und Geräte in musikalische umzudeuten. Scratchen, Turntables, Sampler, Synthesizer: Punk-gegengefedert hieß das: »Mach es selbst. Mach es einfach!« Als eine der ersten gingen The KLF daran, Produktionsweisen wie Zitieren, Montieren, Collagieren oder Cut’n’Paste auf den Dancefloor und andere leicht besetzbare öffentliche Räume zu kicken. The KLF gehen als »Pop-Situationisten« durch, für die Punk den Stein ins Rollen brachte.
Für ihre Verwirrungstaktiken benötigten die JAMs nur zwei reguläre, auf ihrem eigenen Label K-Communications veröffentlichten Platten: »1987: What The Fuck Is Going On« löste sich buchstäblich in Schall und Rauch auf. Und »Who Killed The JAMs« war die Reaktion auf die Verbrennungsaktion der ersten Platte. Ihre metatextuelle Transformation von ABBAs »Dancing Queen« hatte ebenso wie »Plunderphonic« (John Oswald) oder »U2« (Negativland) fatale Folgen. Mit diesen Scheiben wurden aber neue diskursive Verfahren entwickelt, die nicht Raubbau an fremdem Material betrieben zugunsten des eigenen Säckels, sondern massiv auf Destabilisierung und Hinterfragung von bestehenden Macht- und Abhängigkeitsverhältnissen aus waren. Nicht nur Chuck D. ist davon überzeugt, dass die effektivste Strategie lautet: »To know your enemy«. Womit wir wieder bei praktisch angewandter Taktik wären: Als ehemaliger WEA-A&R kann Drummond auf einen Background verweisen, der aus dem Herz der Unterhaltungsindustrie kommt.
1988 hatten sich Drummond und Cauty in den Kopf gesetzt, einen #1-Hit zu landen. Als The Timelords wurde »Doctorin‘ The House« von S-Express gecovert und mit der »Ambient-House«-Nummer »Doctorin‘ The Tardis« hatten sie in den UK-National Charts die Pole-Position. Das Buch »The Manual« ist eine Art Erlebnisbericht von diesem Track. Das österreichische Projekt Edelweiss arbeitete getreu dem »Manual« und hatte ironischerweise ausgerechnet mit der Vermansche von ABBAs »S.O.S.« als »Bring Me Edelweiss« beachtliche Hiterfolge. Und das plunderphonische »What Time Is Love« wurde als »pure Trance« einer der Blaupausen des ravenden »Summer of Love« 1988.
Im selben Jahr zeigten die Charterfolge von Projekten wie Coldcut, Bomb the Bass, M/A/R/R/S, S-Express und eben The KLF, dass das britische Mainstream-Publikum mit futuristischen Sampling-Tracks durchaus etwas anfangen konnte. Immerhin schossen die Bässe dieser Nummern direkt in die Tanzbeine. Das ist vielleicht wie beim Zapping: Man switcht durch die Kanäle, lässt sich aber trotzdem nicht vom Fernsehen ablenken. 1988 verfasst, stand der Cultural-Studies- und Musiktheoretiker Andrew Goodwin für seinem Text »Sample And Hold« noch voll unter dem Eindruck der englischen Sample-Anarchisten. Goodwin beschreibt Sampling als ästhetisches Programm, bei dem das Zusammenmontieren von aussagekräftigen Plattenausschnitten den wesentlichen Teil der Bedeutungsproduktion eines »Metatexts« ausmache. (Disco/HipHop hat zwar diese Taktiken schon lange mit Beats verwendet: siehe etwa Walter Gibbons, die Nummer »Planet Rock«, Turntableism etc. Durch den ’88er-Sommer und Acid House verlagerten sie sich in die Mitte der Raving-Community und weiteten sich von dort zum Dance-Massenphänomen aus.)
Drummond/Cauty nahmen vorweg, was im Techno – unter anderen ästhetischen und politischen Vorzeichen freilich – zum Standard werden sollte. Multiple Projekte, Schizo-Taktiken (Bill Drummond vs. King Boy D.) und Sabotierung des Künstlersubjekts als »genialer Schaffender«, jede Menge Punk-/DIY-Attitude und ausgeprägte Thatcher-Oppositionen kamen dazu. The Kopyright Liberation Front, The Timelords, The Justified Ancients of Mu Mu, The 2K: Alles Projekte, die darauf abzielten, mit der sich leicht anzueignenden Sampling-Technologie Angriffe gegen die etablierten Poptechniken einzuleiten. Der interdisziplinäre Kontext zwischen Dancefloor und Galerie war/ist ihr Referenzfeld, das sie mit ihren Aktionen, Pamphleten und Konzerten devastierten.
Der englische Autor Jeremy J. Beadle nennt in der umfan
greichen Studie über The KLF in seinem Buch »Will Pop Eat Itself?« (1993) das, wogegen sie sich wandten, den »well-crafted song«. Das Verfügbarmachen (als poppolitische Rekontextualisierung durch DJs und Samplertechnologie) war aber nur die halbe Miete: Tanzgrooves sind seit der Disco- und 12″-Zeit fundamental. England begann sich Ende der 1980-er zum kollektiven Tanzcraze zu formieren: Noch bevor die ganze »Madchester«- und Rave-Sache so richtig losging, hatten The KLF ihre Spuren hinterlassen. Der Club Hacienda und New Order wurden zwar zu allgemeinen Referenzpunkten, 1991 hatten The KLF indes mehr Singles als jede andere englische Band verkauft. Die Beats, der überzogene schottische Akzent und die wilden Cut’n’Paste-Orgien schlugen vor allem live voll zu: Siehe etwa die »Trancentral/The Stadium House-Trilogy« (1990/91).
Die Selbstinszenierung ist dabei mindestens genauso wichtig wie die kalkulierte mediale Inszenierung. Beadle schreibt: »Everything about the JAMs has been shaped into the form of legend by the protagonists themselves. Almost every move they have made, under what pseudonym, has been accompanied by a carefully calculated burst of publicity«. Mit was werden The KLF nach wie vor hauptsächlich identifiziert? Das waren doch die beiden, die am 23. August 1994 auf der Isle of Jura in Westschottland eine Million Pfund ihres eigenen Geldes – gewonnen aus den Tantiemen ihrer Hit-Produktionen – in Flammen aufgehen ließen. Seither hat es wohl kein K-Foundation-Interview mehr gegeben, in dem Drummond/Cauty nicht gefragt wurden: »Warum nur?« Drummond dazu im skug-Gespräch nach dem Spoiler-Vortrag: »Ich hoffe, dass mich meine sechs Kinder, wenn sie etwas älter sind, deshalb nicht enterben werden.« Am 23. August 1995 hatte die 63-minütige Videodokumentation »Watch The K-Foundation Burn A Million Quid« in der Stadthalle von Jura Ausstrahlungspremiere. Der Film konnte die Leute der Insel beim besten Willen nicht davon überzeugen, dass es sich hier um etwas anderes handelte als um die Aktion zweier Wahnsinniger. Kunst kommt ja angeblich von »Können«, vielleicht kommt es aber auch von »Konsequent« … Denn schließlich bemühte sich wenig später die BBC um das Video für ihr Archiv.
Dass derartige Aktionen auch in Wien Spuren hinterlassen haben, wird deutlich, wenn man sich das jüngst erschienene Katalogbuch »10 Years of Sabotage« reinzieht. The KLF und Bill Drummond sind eine Richtung, die Sabotage-Chef und Spoiler-Mitbegründer Robert Jelinek unumwunden als einflussreich zitiert.
45 RpM für die Toten
margin: 3px;“ alt=“Bill_Drummond___45.jpg“ src=“https://skug.at/wp-content/uploads/oldskug_images/pix/Bill_Drummond/Bill_Drummond___45.jpg“ align=“left“ height=“245″ width=“250″>2000 veröffentlichte Drummond das »DIY«-Buch »45« in seinem Verlag Penkiln Burn. (Benannt nach einem schottischen Fluss, in den Drummond einst seine Asche verstreut haben will, ist »pb« seit 1998 die Plattform seiner Veröffentlichungen.) Der Krisen waren mit 39 Jahren genug, da musste er nicht darauf warten, 45 zu werden um eine Fortsetzung herauszugeben. Wenig später gab es auch die auf fünf Kopien limitierte 12″-Version davon. Die 12″ ist eine Art Gästebuch, das dazu auffordert, wie auch immer mit dem Buch und Drummonds Texten, Novellen, Miniatur-Geschichten, handfesten Lügen und fadenscheinigen Behauptungen umzugehen. »Ich schicke diese Bücher auf fünf unterschiedliche Reisen. In England hatten zwei Reisen ein jähes Ende, als die Bücher gestohlen wurden.« »45« ist die Weiterführung der Aktion der Platte »The Man« (Creation Rec.), die er 1986 im Alter von 33 Jahren produziert hatte. Mal sehen, was 2031 passiert …
Drummond gibt an: »Ich bin kein Internet-Mensch.« Eine Aktion, für die er indes sich viereckige Flickeraugen züchtet, ist sein Netz-Projekt »mydeath.net«. »Nachdem zwei Freunde innerhalb kurzer Zeit gestorben waren, kam mir die Idee zu einer Site, auf der Menschen alles posten können, wie ihr Begräbnis aussehen könnte: Welche Blumen, welche Musik … Wenn wir an so etwas denken, denken wir meist nur an »Born To Be Wild«, an »I Will Survive« oder an Chopins Trauermarsch. Aber auch: Wer soll kommen, wer darf nicht kommen.« Mit morbiden Gelüsten hat das nichts zu tun, sondern bietet die Möglichkeit, einen Tag exakt so zu gestalten, wie man ihn gern hätte. Drummond macht keine reguläre Werbung für diese Seite sondern gibt in ausgewählten Städten wie Warschau, Belfast oder Barcelona Flyer aus. »Letztes Jahr war ich in Drummondville, Kanada, und habe dort die »mydeath.net«-Flyer verteilt. Ein interessantes Gefühl war das.«
Schottland – Nordirland – England: Das »Bizarre Love Triangle«
»Jede Stadt, zumindest in Europa, ist doch irgendwie mit einer anderen verbunden, hat so etwas wie eine Stadtpatenschaft. Als ich vor ein paar Jahren in Belfast war für eine Lesung, fragte ich die zuständigen Personen, mit wem denn Belfast eine Patenschaft hätte. Die Antwort war: Niemand will eine Stadtpatenschaft mit Belfast! Die Stadt hat eben einen selten schlechten Ruf: Gewalt, Mord und Totschlag. Ich wollte Belfast unbedingt mit etwas verbinden (»to be twinned«). Also prangte wenig später auf einer der Haupteinfahrtsrouten das Schild: »Welcome to Belfast. Twinned with your wildest dreams.« Das sah alles ganz professionell aus und für über ein Jahr war das Schild dort. Ich hätte gerne auf jedem Kontinent eine Stadt, die ich mit einer aus einem anderen Kontinent verbinde.« Auch so kann man zur Völkerverständigung beitragen …
Vor gut drei Jahren erwarb Drummond den Curfew-Tower, einen Turm, der im kleinen Ort Cushendall in der pittoresken nordirischen Küstenlandschaft steht. Drummond, der gut fünfzig Kilometer außerhalb von London in einer rural geprägten Landschaft wohnt, bietet seit dieser Zeit immer wieder residencies an: »Ich war begeistert von der Idee, Menschen, auch wenn sie noch nie zuvor Kunst gemacht haben, für eine gewisse Zeit in den Turm einzuladen. Alles, was ich dafür wollte, war, dass sie ein Artefakt ihrer künstlerischen Tätigkeiten hinterließen sodass der Turm irgendwann voll wäre im diesen Werken. Seit Halloween letzen Jahres laden wir die Bürger von Cushendall ein, diese Kunstwerke zu begutachten und ihre Meinung kund zu tun. Keines der Artekfakte der dreißig im letzen Jahr eingeladenen Personen wurde von den Cushendallern als Kunstwerk angesehen. Also haben wir zusammen mit den Einheimischen und den Künstlern die
se Nicht-Kunstwerke verbrannt. Es bestehen nichtsdestotrotz weiterhin große Hoffnungen, den Turm irgendwann vollzukriegen mit echter Kunst«, grinst Drummond.
GB – USA: Evil Twins
Die aktuellste Aktion von Bill Drummond nennt sich »Silent Protest«. Die enge Verbindung Großbritanniens mit den USA seit 9/11 und das englisch-amerikanische Säbelrasseln gegen den Irak hatten die Idee vom stummen Widerstand evoziert. »Aus Protest gegen die latente Kriegssituation hatte ich die verrückte Idee, dass ich ein Jahr lang nicht sprechen wollte. Ging nicht, ich tat mir schon bei einem Tag schwer.« Also wurde ein reguläres Kartenspiel entsprechend adaptiert und nun liegen in den Buchgeschäften im UK entsprechende Spielkartenpäcken aus, allerdings ohne Verweis auf Drummond. Auf den Karten steht: »No«, »Yes«, »Thank you«, »Is that all?«, »I want some more«,… Zwei Joker in Form von weißen Karten sind inkludiert, auf die »man raufschreiben kann, was man möchte«. Wieder einmal die Aufforderung, selbst aktiv zu werden. »Ich hätte gerne, dass es auch eine arabische Version von diesem Spiel gibt mit arabischen Schriftzeichen. Und eine hebräische.«
Foto: Tracy Moberly