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Austroschwarze Lebensrealitäten

»Austroschwarz« ist ein Dokumentarfilm vom und über den österreichischen Musiker Mwita Mataro. Ein gelungenes Porträt, eine wichtige Erzählung über Schwarz-Sein in Österreich, über »Heimat, Identität und Repräsentation«.

Mwita Mataro wird 1993 in Salzburg als Kind tansanischer Eltern geboren. Es ist das Jahr, in dem das von der FPÖ unter Jörg Haider initiierte rassistische Volksbegehren »Österreich zuerst« abgehalten wird. 1999 stirbt Marcus Omofuma qualvoll während des Abschiebefluges von Wien nach Sofia; von drei Polizisten »in fahrlässiger Weise« getötet. Vor genau fünf Jahren, am 4. Juni 2020, startet die große Black-Lives-Matter-Demo mit gut 50.000 Teilnehmenden am Wiener Platz der Menschenrechte, auf dem der Marcus-Omofuma-Gedenkstein steht. Wiederholt war dieser zum Ziel von rassistisch motiviertem, rechtsextremem Vandalismus geworden. Im Dezember 2020 wird der Gedenkstein mit »White Lives Matter«-Parolen von neofaschistischen Identitären verunstaltet. Mwita Mataro ist geschockt. »Ich war fertig von dieser beschissenen Aktion«, sagt er. Aber der damals 27-jährige Musiker, der erste Erfolge mit der Indierock-Band At Pavillon verzeichnen kann, will etwas tun. Mehr als nur das eine oder andere kurze antirassistische Statement auf der Bühne abgeben. Es ist die Initialzündung zu einem Filmprojekt, das über vier Jahre dauern sollte.

»›Austroschwarz‹ entstand für mich auf künstlerischer und persönlicher Ebene aus einer Notwendigkeit heraus: Nachdem ich die großteils negative Berichterstattung, die über die Schwarze Bevölkerung stattfand, nicht mehr ignorieren konnte, war für mich das Medium Film der einzige Weg, die Komplexität des Lebens eines nicht-weißen Österreichers zu zeigen«, sagt Mataro. Einem solchen Vorhaben stellen sich immer wieder Fragen: Wer spricht für wen? Wie repräsentativ sind individuelle Erfahrungen für eine Gruppe? »Austroschwarz« reflektiert diesbezüglich den eigenen Entstehungsprozess. Mataro führte Videotagebuch, dokumentierte Zweifel an sich selbst, am Sinn und Gelingen des Filmprojekts. Er richtet die Kamera auf sich; zuhause, in einem Hotelzimmer und auch in einem Zimmer einer Reha-Klinik. Der Umgang mit Vulnerabilität ist etwas sehr Persönliches, Intimes. Sie zu zeigen, ermöglicht jedoch, Erfahrungen mit anderen zu teilen. Das Private wird sichtbar, mitteilbar, sozial und politisch verhandelbar. Es bleibt kein Schicksal, dem man sich zu ergeben hätte.

Einladung zum Diskurs

Mataro kann darauf vertrauen, dass es genügend Situationen in seiner Erzählung gibt, »Szenen, mit denen sich andere Schwarze Menschen identifizieren können«. Er sucht den Austausch und findet Antworten auf seine Fragen, Rat und Unterstützung bei elf Interviewpartner*innen. Zu Wort kommen u. a. sein Vater John Mataro, Journalistin/Moderatorin Claudia Unterweger, die Politikerinnen Michelle Ngosso und Faika El-Nagashi. Vieles wird in den Interviews angesprochen, worüber sonst mehrheitsgesellschaftlich selten und ungern gesprochen wird: Alltagsrassismus, Diskriminierungserfahrungen, Polizeigewalt, strukturelle Benachteiligung. Die Psychologin Parissima Taheri-Maynard weist u. a. darauf hin, wie schwierig es in Österreich ist, Psycholog*innen zu finden, die für das Erkennen von Traumatisierung aufgrund rassistischer Erfahrung professionell sensibilisiert sind. Wer wenig über Geschichte und Lebensrealität Schwarzer Mitmenschen in Österreich weiß, wird sich mit einer Fülle an Eindrücken konfrontiert sehen. Allerdings – und das ist eine der Stärken der Doku – wirken auch kürzere Statements und Infos gut platziert, sodass sie zu vertiefenden Gesprächen und Diskussionen einladen. 

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Mataros Schulfreund, der Instrumentenbauer Mark Ulrich, erinnert sich, dass Hautfarbe für sie als Kinder kein Thema war. Später, in seiner Jugend, habe er als Gruftie die Aufmerksamkeit gesucht, Mataro habe sie aufgrund seiner Hautfarbe bekommen – »ob du wolltest oder nicht«. Ein wichtiger Punkt, der aufzeigt, wie un-/veränderlich bestimmte Identitätsmerkmale sein können. Während sich die selbstgewählte subkulturelle Identität mit dazugehörigem Outfit auch wieder ablegen lässt, wird Mataro wiederholt fremdbestimmt darauf reduziert, sprichwörtlich nicht aus seiner Haut zu können. Wozu sich anpassen, wenn man, egal wie man ist, der normalitätsprivilegierten, unmarkierten Mehrheit eh nie passen wird? Mataro und Team beweisen in der Darstellung dieser Problematik auch pädagogische Kreativität. Gemeinsam mit sechs Schwarzen Kindern taucht Mataro ein in eine modellierte Pappmaché-Welt namens »Greenland«. Der Mehrheit der Greens stehen wenige Blues gegenüber, die sich anzupassen haben. Will Blue Kid (sowohl als bemalte Kartoffel als auch animiert dargestellt) ausgehen, muss es sich grün anmalen, um ja nicht aufzufallen. Zwischen Mataro und den Kindern entspinnen sich ebenso fantasievolle wie pointierte Dialoge, die den Film wesentlich strukturieren. Lassen sich Ausgrenzung und Angst überwinden? »Finde die Farben der Hoffnung«, empfiehlt eines der Mädchen. Dazu Mataro: »Was mich bei der Arbeit am Film sehr bewegt hat, war die Begegnung mit den POC-Kindern. Mir ist es wichtig, den Zuseher*innen zu zeigen, wie Kinder im Alter von 6 bis 11 Jahren sich Gedanken über das »Anderssein« machen. Was alle Kinder trotz ihrer individuellen Persönlichkeiten verbunden hat, ist ihr Optimismus, dass alle Menschen zusammengehören – egal, welche Hautfarbe sie haben.«

Schwarzer Austropop

Als Musiker erzählt Mataro freilich auch von seinem Umgang mit österreichischem Kultur- bzw. Liedgut. Er besucht das Hundertwasser-Haus in Wien und trägt dabei ein Shirt der Band Buntspecht. In einem Ruderboot auf dem Fuschlsee, seinem Sehnsuchtsort unbeschwerter Kindheit, spielt er Udo Jürgens’ kritisches »Lieb Vaterland«. Berührend, wie Mataro interpretiert: »Ich kann dich nicht aus heißem Herzen lieben. Zu viel bist du noch schuldig uns geblieben.« Sehr pointiert sind auch die Szenen geschnitten, die eine Bandprobe zeigen, bei der die Schwarzen Musiker*innen die Songauswahl für ein Austropop-Set diskutieren. Seiler und Speers notorisches »Ham kummst« macht sichtlich allen Spaß. STS’ unvermeidlicher »Großvater« geht okay. Aber will man wirklich »I Am From Austria« zum Besten geben? Zu romantisierend, zu verherrlichend oder doch auch »die Ratten« hinreichend kritisch angeführt? Mataro setzt sich durch. Die (Counter-)Cultural Appropriation gelingt schließlich live im Wiener Werk. Apropos Musik: Als Solo-Artist veröffentlichte Mwita Mataro letzten Herbst »Schwarzer Hase«. Aktuell erschien als zwinkernder Kommentar zum Film der Song »Austrodrama«, »ein Versuch, sich ein bissi besser mit Österreich anzufreunden.« 

»Austroschwarz« ist ein veritables DIY-Produkt. Mwita Mataro teilte sich Drehbuch und Regie mit Helmut Karner. Gemeinsam gründeten sie den Kulturverein »one earth – one daham«. Für Mataro ist es der erste Film überhaupt, für Karner sein abendfüllendes Dokumentarfilmdebüt. Als Produzent holten sie Stephan Herzog und als Junior-Produzentin Andrea E. Arnold mit an Bord. Zeitweilig verzögerten sich die Dreharbeiten; u. a. wegen dieser Sache namens Covid-19. Immer wieder wurden Mataro und sein Team ermutigt, ja nicht aufzugeben. Der Sozialpädagoge und Coach Persy-Lowis Bulayumi riet Mataro, eben nicht darauf zu warten, »bis der ORF kommt und eine Doku dreht … grab the mic und gib selber vor!« 300 Unterstützer*innen ermöglichten schließlich via Crowdfunding die Finalisierung des Films. »Austroschwarz« hatte Premiere bei der Diagonale 2025 und läuft derzeit in österreichischen Kinos. Wenn ein Film das Prädikat »pädagogisch wertvoll« verdient, dann dieser. Der Einsatz in Schulen hat erfreulicherweise bereits begonnen.

Link: https://www.austroschwarz.com/ 

Home / Kultur / Film

Text
Peter Kaiser

Veröffentlichung
03.06.2025

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