Jane Birkin wurde 1946 in London geboren, ihre Mutter war die Schauspielerin Judy Campbell, ihr Vater David Birkin war Lieutenant in der Royal Navy. Im Alter von 17 Jahren heiratete sie den Filmkomponisten John Barry, der vor allem für das »James-Bond-Theme« bekannt wurde. 1967 kam ihre erste Tochter Kate zur Welt, 1968 ließ sich das Paar scheiden. Birkin begann daraufhin verstärkt für Film- und Fernsehrollen vorzusprechen. Ihr Durchbruch kam mit einigen Filmen, die mit dem Swinging London der späten 1960er-Jahre assoziiert waren, unter anderem Richard Lesters »The Knack… And How To Get It«, Jack Smights »Kaleidoscope«, Joe Massots »Wonderwall« und Michelangelo Antonionis »Blow Up«.
1969 sprach sie für die weibliche Hauptrolle in dem französischen Film »Slogan« vor und bekam die Zusage, obwohl sie keine Vorkenntnisse der französischen Sprache hatte. Birkins Filmpartner bei »Slogan« war der Sänger und Komponist Serge Gainsbourg, mit dem gemeinsam sie auch das Film-Theme »La Chanson de Slogan« einsang, die erste von vielen weiteren Kooperationen. Die damals 19-jährige Birkin ging mit dem 18 Jahre älteren Musiker eine Beziehung ein, zwei Jahre später kam die gemeinsame Tochter Charlotte zur Welt.
Das Kapitel Birkin & Gainsbourg
Der Beginn der zwölf Jahre andauernden Beziehung zwischen Birkin und Gainsbourg wurde mit dem gemeinsamen Album »Jane Birkin/Serge Gainsbourg« eingeläutet, eine Sammlung von eigens für Birkin geschriebenen Liedern und neu interpretierten Hits, vor allem aus dem damals populären Yéyé-Genre. Das Album wurde auch unter dem Titel der ersten Single-Auskopplung »Je t’aime … moi non plus« bekannt. Gainsbourg hatte das sexuell explizite Duett ursprünglich für Brigitte Bardot geschrieben und mit ihr auch aufgenommen. Auf Bitten von Bardots Ehemann hielt Gainsbourg die Aufnahme zurück und nahm es mit Birkin neu auf. Den beiden gelang mit der Single ein großer Wurf. Sie landete als erster fremdsprachiger Song auf Platz Eins der britischen Charts, rief allerdings bald auch die Zensur auf den Plan.
Die BBC und viele weitere Rundfunkanstalten setzten das anrüchige Lied auf Verbotslisten, aus dem Vatikan hagelte es erboste Worte. Bevor jedoch noch die gehauchten Vocals einsetzten, war das Stück schon in den ersten Takten durch die markante Bassline und die Orgelmelodie eindeutig identifizierbar und wurde zur unmissverständlichen, musikalischen Cue-Card für Boudoir-Stimmung, in dieser Funktion wohl nur mit dem eröffnenden Gitarren-Lick von Marvin Gayes »Let’s Get It On« vergleichbar. Im Gegensatz zu Gayes Song, der sich zum Ziel setzte, spirituelle Befreiung und körperliche Liebe zu verbinden, besingen Birkin und Gainsbourg jedoch den Zynismus und die Unerfülltheit von Sex ohne emotionale Bindung.
Künstlerische Emanzipation
Der große Altersunterschied zwischen dem Paar inspirierte womöglich ihr nächstes gemeinsames Projekt, das verstörende und faszinierende Konzeptalbum »L’histoire de Melody Nelson«. Je nach Lesart kann man das Album als provokante, psychedelische Auseinandersetzung mit dem Lolita-Motiv oder als Glorifikation und Verharmlosung von Pädophilie und sexueller Gewalt betrachten. Sowohl in ihrer gesanglichen Performance auf dem Song »Ballade de Melody Nelson« als auch auf dem Cover des Albums verkörpert die 20-jährige Birkin hier ein 15-jähriges Mädchen, das zum Missbrauchsopfer – oder in dessen Wahrnehmung zur Geliebten – des etwa 40-jährigen Erzählers wird. Musikalisch bietet der Tonträger eine höchst eigenständige Mischung aus Funk, Orchesterarrangements und Psychedelic und gilt als Schlüsselwerk der französischen Popularmusik.
1973 veröffentliche Birkin ihr erstes Soloalbum »Di doo dah«, das unter anderem die Hits »La décadanse« und »Mon amour baiser« enthielt. Es folgten viele weitere Alben, darunter »Ex fan de Sixties« von 1978, »Baby alone in Babylone« von 1983 und »Amours de feintes« von 1990. Auch nach Ende ihrer Beziehung arbeitete sie dabei oft mit Gainsbourg zusammen. Ihr letztes Album war »Birkin/Gainsbourg: Le Symphonique«, eine orchestrale Neuinterpretation von Songs, die der 1991 verstorbene Gainsbourg im Laufe seines Lebens für sie geschrieben hatte.
Auch ihre Tätigkeit als Schauspielerin verlief weiterhin erfolgreich. Anfänglich als hinderlich für ihre Karriere im frankophonen Film empfunden, wurde ihr britischer Akzent zu ihrem Markenzeichen. Höhepunkte ihres filmischen Schaffens waren zum Beispiel Roger Vadims Erotik-Drama »Don Juan, or If Don Juan Were a Woman« sowie die beiden Agatha Christie Verfilmungen »Evil Under the Sun« und »Death on the Nile«.
Stilikone mit sozialem Engagement
Darüber hinaus wurde Jane Birkin zu einer Stilikone. Ihr Werk in Film und Musik und ihre Arbeiten als Model in Kombination mit ihrem Akzent verhalfen ihr zu dem Status als Personifikation von anglo-französischem Seventies-Chic. 1983 entwarf Jean-Louis Dumas die »Birkin Bag« für das Modelabel Hermès. Diese Lederhandtasche wurde bald zu einem Luxussymbol und erzielte astronomische Preise bei Handtaschensammler*innen. Im selben Jahr kam auch ihre dritte Tochter Lou zur Welt, ein Kind ihrer Beziehung zu dem Regisseur Jacques Doillon. Ihre Popularität nutzte Birkin auch, um auf verschiedene humanitäre Anliegen, unter anderem den Kampf gegen HIV/AIDS oder die Situation von Migrant*innen in Frankreich hinzuweisen. Sie war eine starke Stimme gegen den Aufstieg rechtsextremer Tendenzen in der französischen Politik und eine vehemente Kritikerin der Rechtspopulistin Marine Le Pen.
In ihren letzten Jahren verbrachte Birkin viel Zeit mit ihren Enkelkindern. Einer ihrer letzten öffentlichen Auftritte war die Premiere von Charlotte Gainsbourgs Dokumentarfilm »Jane by Charlotte« im Juli 2021. Ihre letzte Aufnahme als Sängerin erschien vor wenigen Wochen auf dem Album »The Chopin Project« der Cellistin Camille Thomas. Thomas und Birkin nahmen für das Projekt eine neue Version von »Jane B.« auf. Basierend auf einer Melodie aus Chopins »N°4 Prelude op. 28« schrieb Serge Gainsbourg das Lied für das Album »Jane Birkin/Serge Gainsbourg«. Ihrem Publikum wird Jane Birkin vor allem für ihren enormen Beitrag zu Film und Popularmusik des 20. Jahrhunderts in Erinnerung bleiben.