Kiki © Klaus Zwinger
Kiki © Klaus Zwinger

Zwischen den Welten – das Waves Vienna 2024

Am Wochenende von 5. bis 7. September fand in Wien das diesjährige Waves Festival statt. Neben der Waves Conference wurden zahlreiche Clubs am Gürtel zur Bühne für Musiker*innen aus verschiedenen Ländern.

Lediglich eine Silhouette mit Hut ist zu erkennen. Denn wenn das B72 an etwas nicht spart, dann an Nebel auf der Bühne. Chinchilla singt: »You’re disgusting me in the way that you move.« Die Riffs sind kraftvoll und filigran. Dann eine 45-minütige Show, von der ich mir wünsche, sie würde nie aufhören …

Aber von vorn: Das Waves Vienna 2024 feiert am 5. September seinen Auftakt. Bevor Besucher*innen am Abend die Locations und Künstler*innen abklappern, werden sie zu Panels und Vorträgen zu spannenden Branchenthemen eingeladen: Was hat es mit »Cresqa« auf sich; einer KI, die Social-Media-Arbeit für Management und Künstler*in erleichtern soll? Welche Auswirkungen hat der vereitelte Anschlag auf die geplante Taylor-Swift-Show und was bedeutet er für die Wiener Musikkultur? Wie kann die Vernetzung zwischen Musik- und Film-Produzent*innen besser funktionieren? Bereits tagsüber gibt es Veranstaltungen, die zeitgleich stattfinden und ich muss mich entscheiden.

Im Mittelpunkt des Showcase-Festivals stehen aber die über 100 Bands und Musiker*innen. In jedem Jahr legt das Waves seinen Focus auf ein bestimmtes Land, um Diversität unter dem Motto »East meets West« zu fördern. Kolumbien steht heuer im Mittelpunkt. Bei Empanadas, kolumbianischen Cocktails und mit der Live-Performance von David Arcos wird das Festival offiziell eröffnet. Dabei bietet die Veranstaltung Raum und Möglichkeit, sich auszutauschen. 

Housewife © Klaus Zwinger

Von Wohnzimmer …

Housewife aus Kanada ist einer der ersten Acts des Abendprogramms. Ich treffe die Sängerin vor der Show an der Bar und erwähne, dass ich den Namen ihrer Band mag. Sie sagt: »Thanks! Not everyone thinks that.« Vom B72 gehe ich bis zum anderen Ende der Straße zum The Loft: zwei Floors, zwei verschiedene Welten. Das trifft auch auf die Acts in der Venue zu. Als ich einen Blick ins »Wohnzimmer« werfe, stehen drei blonde Frauen mit Band vorne. Sie singen dreistimmig und auf Slowenisch. Kiki hat eine besondere Art, lebendig und entspannt zugleich zu performen. Ich setze mich auf den Teppichboden des Wohnzimmers. Direkt im Anschluss tritt Harry Dean Lewis auf, doch hierfür geht es eine Treppe hinunter. In einem Raum mit futuristischem Look tritt der Musiker auf die Bühne, Cap und Tattoos vervollständigen sein Outfit. Harry Dean Lewis performt mit mitreißender Energie. 

Mir wird bewusst, dass während diesem Act acht weitere in unmittelbarer Nähe stattfinden. Lieber nicht dran denken. Später werfe ich einen Blick auf mein Handy. Ich habe drei von elf zeitgleich auftretenden Bands als Favoriten markiert: Ay Wing aus der Schweiz, Dora Tomori aus Slowenien und Nnoa aus Österreich. Ich entscheide mich für Ay Wing, da mir das Chelsea als Venue gefällt. Mein Entscheidungsprozess wird immer beliebiger. Der Schweizer Musikerin merke ich die Freude am Singen sofort an. Auch die Band scheint großen Spaß am Performen zu haben, der Bassist im Enten-Shirt grinst.

Nach dem Auftritt von Ay Wing muss ich nicht lange nachdenken: zurück ins B72, denn Chinchilla tritt gleich auf. Die britische Sängerin hat alles, was mich begeistert: eine kraftvolle und ausgebildete Stimme, einen extravaganten Look, Songs die emotional, ehrlich und relatable sind. Ich tanze und singe zur Single »Little Girl Gone«, die Chinchilla dieses Jahr in Eigenproduktion released hat, und frage mich, warum sie immer noch als Newcomerin gilt.

Lukas Oscar © Mala Kolumna

… bis Dancefloor

Der zweite Tag des Waves Vienna beginnt für mich wieder im The Loft. Lukas Oscar hat eine sanfte Stimme, die mit seinen teils energetischen Songs kollidiert. Trotzdem oder gerade deswegen stimmen die Vibes bei jedem Song. Ich bin mir sicher, dass er den Austrian Music Export Award gewinnt. Dann fällt mir ein, dass er gar nicht nominiert ist. 

Oh Alien und Jiný Metro sind die nächsten Acts, ich muss mir eine Band aussuchen. So schwierig war es lange nicht, Entscheidungen zu treffen. Am Abend zuvor kam ich mit Jiný Metro ins Gespräch, also gewinnt die tschechische Band. Sie erzählten mir, dass ihr Cellist in Vietnam ist und sie bei ihrem Auftritt deshalb nicht vollständig sind. Der Bassist fügte hinzu: »What a flex!« Die beiden Sängerinnen harmonieren miteinander und mit der gesamten Band. Ich bemerke, dass der Bassist für die eher ruhige Musik ziemlich viel zu tun hat. Am Schluss des Auftritts erzählt eine der Sängerinnen: »Our cellist is in Vietnam.« Die Bandmitglieder lachen. Ich auch und bin Teil eines Inside-Jokes geworden.

Das Coco steht als nächste Venue auf meinem Plan. Lucy Dreams bezeichnet sich als Trio, obwohl zwei Personen auf der Bühne stehen. Denn Teil des Trios ist Lucy, ein künstliches Bandmitglied, das für eine Fusion von analoger und digitaler Musik sorgt. Auf der Bühne sind Lucy Dreams bunt, auf einen Song mit präsenten Synthies und schnellen Beats folgt verträumter Elektro-Pop. Das Trio erhält am nächsten Nachmittag den XA Export Award. Mit ihm kommen Preisgeld und Toursupport in Höhe von insgesamt 8.500 Euro.

Am letzten Festivaltag verschlägt es mich ins Fanialive, wo ich die Musikerin Sodl sehe. Ihr Auftritt ist ein einziges Steigern. Sodl beginnt harmlos und ruhig, doch ihre Songs entwickeln sich zu ungefilterter, feministischer Rage. Mein Waves-Finale bietet Girlband! und es ist der perfekte Abschluss. Die Stimmung auf der Bühne und im Publikum gibt mir nach drei Tagen Live-Musik nochmal Energie zum Tanzen. Es könnte jetzt eigentlich noch eine Weile so weitergehen …

Home / Musik / Konzert

Text
Emilia Huhn

Veröffentlichung
16.09.2024

Schlagwörter

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