Der Release von »Fieber« ist noch keine Woche her, die darin enthaltene Single »Bee Gees« feat. Levin Liam wurde schon jetzt über zwei Million Mal gestreamt. OG Keemo hat sich über die letzten Jahre einen Namen gemacht, der mittlerweile in Stein gemeißelt ist. Konzeptalben, geleitet von fesselndem Storytelling und mitreißenden Anekdoten, hoben ihn ab aus der Deutschrap-Masse, dazu ein unverkennbarer Flow und ein Selbstbewusstsein, das überzeugt. »Fieber« soll eine neue Richtung einleiten und geht gleichzeitig zurück zu den Wurzeln. Ein tiefes Ausatmen, loses Aufwärmen, freies Sprechen. Es klingt wie starke Körnung auf Analogfilm, wie Nadeln auf Vinyl, wie Versinken in eingesessene Couches. Und doch überrascht es mit schlagkräftigen Höhepunkten, die einen aufhorchen lassen. Der Rapper und sein treuer Produzent Funkvater Frank toben sich aus und zeigen sich verspielt, zumindest für eigene Verhältnisse. Denn das Mixtape, das sie selbst mit »Kopf aus, Mic an« zusammenfassen, spielt noch immer in der obersten Liga.
Alte Egos
Das ungezwungene Flair des Tapes wird nicht nur durch die autonom funktionierenden Stücke fundiert, sondern entspringt insbesondere der Anwesenheit auffälliger Feature-Gäste. Statt sich abzusondern und auf der eigenen Spur zu bleiben, hat ein Austausch stattgefunden, der die Zugänglichkeit der Aufnahmen gewährt. Zwischen den Zeilen kommen Bilder auf vom sich Gegenübersitzen, gegenseitig Parts Vorrappen und füreinander Freuen. Die Erwartungen an das eigene Schaffen wiegen leichter, sind sie aufgeteilt. Der Ernst hinter dem eigenen Anspruch weicht einem Anflug von Leichtigkeit. Die Betonung liegt auf »Anflug«, wenn man bedenkt, welche Schwergewichte OG Keemo und Funkvater Frank sich ins Boot geholt haben. Namhafte Rapper wie Shindy und RIN schmücken die Tracklist und hinterlassen ihre bezeichnende Note auf »Fieber« – einen Track wie »99 Grad« lässt dies jedoch abkühlen.
Ganz anders steht es dagegen um das Duett mit 2LADE. Ein unerwartet herber Drill-Beat leitet den ersten Schritt ein in die erbarmungslosen Tiefen des abwechslungsreichen Mixtapes und erweckt müde Geister, die sich zuvor noch in Sicherheit wiegten. Auf »OKAY!« werden energische Töne angestimmt, deren scharfe Kurzsilbigkeit wie Hagelkörner einschlägt. Keemo und 2LADE sind sich ähnlich in ihrer Attitüde und bewiesen ihre einnehmende Ausstrahlung bereits auf der Bühne des Wiener Flex. Auf den jeweiligen Konzerten konnte man beobachten, wie sich die Stimmung im Raum schlagartig änderte, sobald sie die Bühne betraten. Es scheint ihnen mühelos zu gelingen, die ungeteilte Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und das Publikum in ihren Bann zu ziehen, schlicht und einfach durch ihre ergreifende Präsenz. Statt sich gegenseitig die Show zu stehlen, komplementieren die beiden sich auf ihrem Feature und schaffen eine einzigartige Symbiose, die sich rücksichtslos ihren Weg bahnt.
Money & Bitches
Zumindest, wenn man sich mit der eingängigen Schlagkraft des Stücks zufriedengibt und den Inhalt als zweitplatziert hinnimmt. Ein Kompromiss, den der Genuss von »Fieber« allzumal voraussetzt. Denn selbst wenn jede seiner Punchlines raffiniert und gekonnt platziert ist, findet OG Keemo eigentlich nur viele verschiedene Worte, um zu flexen. Besserer Battle-Rap auf hochwertigen Beats, die Urinstinkte des Oldschool-HipHop wiedererweckt, oder, um es mit einem Kommentar der Redaktion zusammenzufassen: Sie hätten das Tape auch einfach »Money & Bitches« nennen können. Dass dieser Ansatz als plumpe Einfallslosigkeit gelesen werden kann, scheint Keemo bewusst zu sein. Dafür gibt es »Drei Ringe«. Mit einem einzigen Outro gelingt es ihm, eventuelle Zweifel aufzufangen und sich, wie schon so oft, zu beweisen. Er selbst zeigt mit dem Finger auf den Elefanten im Raum, auf das, was denn jetzt noch kommen soll, wann er auserzählt ist, wie oft er nachliefern kann und wie lang er noch Lust dazu hat. Auf dem jetzigen Projekt holt er Luft, macht Musik der Musik wegen und erlaubt seinen Hörer*innen den unbedenklichen Genuss.
Denn während es kaum möglich war, die vorherigen Alben anders als von vorne bis hinten durchzuhören oder sich »Töle« zu geben und danach noch guter Laune zu sein, ist »Fieber« Musik zum Unterwegssein, Musik zum Autofahren in der Stadt, Musik zum Pumpen, zum Kochen, zum Cornern, zum Mitnehmen und in eigene Playlists Packen. Und bei alldem noch immer ein herausragendes Mixtape. OG Keemo und Funkvater Frank benennen ihr Bedürfnis nach Musik, die unkompliziert und spontan ist, die ihnen Spielraum lässt, ohne zu forcieren, und stillen dieses mit einem Release, der jeden anderen in einen tiefgrauen Schatten stellt – als wäre es einfach. Nachdem sie sich mit jedem Album ein Stückchen höher an die Spitze gearbeitet haben, bildet »Fieber« das Polster, auf dem sie es sich ganz oben gemütlich machen können. Und während viele nach dem Höhenflug aus dem Himmel fallen, scheinen die beiden ihre Aussicht noch eine Weile genießen zu können.
Link: https://og-keemo.de/