Der Franz-Josef-Gletscher in Neuseeland, dargestellt auf dem Bild eines Adolf Obermüller. »Schau mal, das Gemälde ist eine Reproduktion«, sagt Alenka Pirman, eine slowenische Kunsttheoretikerin, »wie ein Poster schaut das aus – noch kitschiger als sowieso schon.« In der Ausstellung »Oceans. Collections. Reflections.« von George Nuku springen einem der Humor und die Ironie ins Auge, seine künstlerischen Mittel der Übertreibung. Schon allein die opulenten, extravaganten Bilderrahmen!
»Groß ist unsere Sehnsucht gewesen, dich zu sehen«, begründeten zwei Maori ihre lange Schiffsreise nach Europa. Sie fuhren mit, um »die Könige der Fremden«, den »Herrn der Herren« zu sehen. Abgeschnittene rote Plastikflaschen, davor zwei Plastiksessel – George Nuku befindet Plastik als das älteste Material, das wir alle in unseren Wohnungen haben, denn es ist ja schließlich aus Öl hergestellt. Und Öl gibt es noch aus der Zeit der Dinosaurier? Im Tempel im Volksgarten ein Plastikparadies namens »Bottled Ocean 2122«, eine lange Schlange an Touristen nimmt fröhlich hängende Plastikquallen ins Visier. »Das sind aber viele Quallen«, sagt eine Frau. Wie im echten Mittelmeer halt auch. Ein Besucher hält verstohlen seine leere Plastikflasche in der Hand. Die ist ja noch keine Kunst.
Zeitung gegen die Briten
Als Abschiedsgeschenk anlässlich ihrer Reise zurück nach Neuseeland erhielten die beiden Maori Toetoe und Rerehau vom österreichischen Kaiserhaus eine Druckerpresse geschenkt. Es folgte eine Ironie der Geschichte: Die mit dieser Druckerpresse erzeugte Zeitung in Maori-Sprache, namens »The Flight of the Hokioi«, wurde im Kampf gegen die britische Kolonialmacht eingesetzt. Die Zeitung wurde nach dem ausgestorbenen Haastadler benannt, steht an der Wand – ein riesengroßer goldener Adler hängt darüber. Ein gewisser Herr Zimmerl aus der k. k. Hof- und Staatsdruckerei diente damals als Dolmetscher, »er hatte sich die Maori-Sprache zu eigen gemacht«.
George Nuku liebt Styropor als Material, denn das Schneiden erzeuge eine Art Singen, eine ganz eigene Musik. Jeder Raum ist in einer anderen Farbe gestaltet, viel Glitzer und Blau kennzeichnen zum Beispiel den ersten Raum. Einer ist ganz in Schwarz gehalten. »Graviere dich, damit du im Tod einen Freund hast«, steht an der Wand – daher also die eindrucksvollen Tattoos im Gesicht. »Inscribe yourself!« Die Unterwelt sei ein »Ort kultivierten Verhaltens«, heißt es hier. Ein weißer Raum soll an den Übergang aus dem Mutterleib ans Tageslicht erinnern. Alenka ist fleißig am Fotografieren. Es interessiert sie, wie Ausstellungen gemacht sind. Sie hat gerade ihre Dissertation zum Thema, wie volkstümliche Kunst heute in moderne Museen integriert wird, fertiggestellt.
Des Erzherzogs Ritter
Ein Stockwerk höher im Weltmuseum Wien kann Alenka, die zu Polizei- und zu Kriegsmuseen in der ganzen Welt geforscht hat, nicht glauben, dass wirklich Saal um Saal Ritterrüstungen ausgestellt sind! So seltsam. Sie macht Foto um Foto. Räume voller Ritterrüstungen – Fetischismus vom Feinsten. Dekorierte, geschmückte Waffen in allen Facetten. Ein ukrainisches Mädchen zeigt uns, welche Rüstung ihr am besten gefällt – die mit einem Bart. »Vielleicht sollte man alle diese Rüstungen in die Ukraine schicken«, scherzt jemand. Es folgt ein bitteres Lachen der ukrainischen Frauen.
Gegen alle diese Ritter soll nun George Nuku mit seinem Humor und seiner Untersuchung der Vergangenheit in den Museen antreten? »Das Atrium Heroicum oder Die Heldenrüstkammer« steht da – die »einzigartige Sammlung Erzherzog Ferdinands von Tirol«. Erpresst hier der Verwalter der Hofburg das Kunsthistorische Museum Wien in punkto Räume und Ausstellungsmöglichkeiten? Oder warum erhalten diese Ritter noch immer so viel Platz – unverändert seit Jahrzehnten? Trotz aller Kritik, die ja wirklich nicht neu ist? Das Haus der Geschichte Österreich muss nebenan eingequetscht und eingeschränkt auf zwei Sälen leben.
Links:
https://www.weltmuseumwien.at/ausstellungen/oceans-collections-reflections/
https://www.khm.at/besuchen/sammlungen/hofjagd-und-ruestkammer/