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Sparklehorse – 28.5.2007, Szene Wien

Please don't take my Ventilator away!

Irgendwie hätte ich das Konzert des von mir sehr geschätzten Mark Linkous fast verpasst. Kaum Presse, und die Promotion anscheinend so dezent, dass der Termin mir und meiner Aufmerksamkeitsökonomie fast durchgeschlüpft wäre. Aber eben nur wäre! Im letzten Moment also noch in die Szene gehuscht, den Support-Act The Dead Texan ganz, und von Sparklehorse wenigstens nur das erste Stück verpasst. Sehr langsam soll die Performance von The Dead Texan jedenfalls gewesen sein, und das trifft zu einem großen Teil auch für die Österreich-Premiere von Mark Linkous und seine BegeiterInnen zu.

Ist die Bühne ein Pferd?
Es begann schon wieder einmal der für mich unverständliche Fall, dass ein junger, in vollem Saft stehender Mann das gesamte Konzert im sitzen spielt. Wenn Jimmy Scott mit seinen 82 großteils entbehrungsreichen Erdenjahren wie unlängst im Porgy&Bess die Schonhaltung vorzieht ist das keine Streitfrage. Nicht dass das so stören würde, aber ich würde gern wissen wieso! Rückenprobleme? Zuwenig Schlaf? Waren die Italien-Gigs an den Tagen zuvor zu ausschweifend? Oder vielleicht schon zu Konzertbeginn mit mehr als einem Damenschwipserl unterwegs? Noch dazu wo Mister Linkous bei allen mir bekannten YouTube-Konzertausschnitten den homo erectus gibt! Nach Trunkenheit hat es nicht ausgeschaut, zumindest an Instrument und Stimme wirkte der »Solitary Man«, der sich über die gesamte Länge der Show von einem Ventilator seine mittellang getragenen Haare exzentrisch nach hinten blasen ließ, bestens in Form. Unterstützt wurde der Einsiedler aus Virginia von einem Kombattanten am Stromruder sowie einer jungen Dame an den Keyboards und anderen Electronics, deren Schulterblätter am Rücken gespenstisch weit abstanden. Am hinteren Bühnenrand flimmerten skurrile Visuals, bei denen auffällig oft Pferde durchs Bild spazierten. Warum auf ein humanoides Schlagwerk verzichtet wurde werden wir wahrscheinlich auch nie erfahren.

Es ist eine traurige und schöne Welt
Doch bevor ich mich hier in Nebensächlichkeiten verliere zum Wesentlichen: Anscheinend haben sich Sparklehorse speziell für Wien auf eine Setlist aus fast ausnahmslos langsamen bis maximal Midtempo-Stücken geeinigt, was die an sich hevorragende Show ein wenig belastete. Ok, es war ein verregneter, düsterer Montagabend, aber muss man deshalb gleich auf der Bühne auf Siebenschläfer machen? So sehr ich auch die getrageneren Stücke aus dem für zehn Jahre Bandexistenz recht schmalen Skarklehorse-Werk – wie das sensationelle, hier nur pars pro toto genannte, »Sad and beautiful World« auch schätze – ein paar von den härteren, rockigeren Knallern hätten diesem Konzertabend bestimmt gut getan. Das erwähnte Stück bringt übrigens schon in der knappsten Form verbal auch den Sound der Band auf den Punkt: bittersüße Melodien in Moll, die mit einer oft verfremdeten Stimme von Linkous – manchmal an der Grenze zum Rezitativ – gesungen werden, und die trotz, oder gerade wegen ihrer melancholischen Gestimmtheit eine beispiellose Schönheit reflektieren. Und als eine Art elaborierter Rhythmusgitarrist spielt Linkous beeindruckend ökonomisch mit unter die Haut gehenden Sounds auf seinen semiakustischen Gitarren.

Mehr wäre auch mehr gewesen – offene Fragen
Nicht nur wegen der personellen Verbindung mit dem Produzenten Dave Friedman, sondern ebenso wegen ähnlicher Klangvorstellungen, stehen Sparklehorse in einer Reihe mit Mercury Rev, den Flaming Lips, oder den leider unlängst aufgelösten Grandaddy. Dass hier kein falscher Eindruck entsteht: Das war schon ein wunderbares Konzert, aber wieso  »Please don’t take my Sunshine away«, eine Stück, das im letzten halben Jahr auf unzählige FM4-Einsätze verweisen kann, einem begeisterten Publikum vorenthalten wird, ist mir nicht nachvollziehbar (oder hab ich da was verpasst?). Vielleicht ist das der Hitverweigerung dann doch ein wenig zu viel. Das wäre nämlich genau der Song für den zweiten Bonusblock gewesen, den das leider nicht allzu zahlreich erschienene Publikum frenetisch applaudierend eingefordert hat. Aber viel besser eine Stunde lang ein prima Konzert als drei Stunden Bruce Springsteen und die E-Street-Band!

Home / Musik / Konzert

Text
Stefan Koroschetz

Veröffentlichung
13.06.2007

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