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Patrick Wolf – 13.05.2005, Szene Wien

Ein zum Wolf gewordener (wolfs)blutjunger irischstämmiger Multiinstrumentalist musiziert auf allerlei ungewöhnlichen Instrumenten. Die soundtechnische Unterstützung »ex machina« blieb diesmal daheim, ein leidenschaftlich-verspielter Abend wurde es trotzdem.

Letztes Jahr präsentierte Patrick Wolf noch vor einer handvoll Verirrter im dahingeschiedenen Fluc seine Laptop-Folklore, heuer ist die Szene Wien – wenn schon nicht ausverkauft – so doch gut gefüllt. Als sich nach einigen Stücken herausstellt, dass da heute keine brachialen Bits & Bytes die folkloristischen Chansons kontrastieren werden, macht sich bei mir ein wenig Enttäuschung breit, die sich aber im weiteren Verlauf des Abends als vorschnelle Verstimmung herausstellen sollte. Gemäß der musikalischen Entwicklung von Wolfs erstem Longplayer »Lycantrophy« zum aktuellen »Wind in the Wire«, das gleichzeitig ruhiger aber auch dunkler als der Erstling ist, versucht der gerade erst 21-jährige durch maximale Unplugged-Reduktion die Intensität und den Kern der Stücke zu Lasten eines spannenderen Soundkleides in den Vordergrund zu stellen.

Einzige Unterstützung der »Meister-Isegrim’schen« Reise durch seltsam archaisch anmutende Songinhalte (viele Gewalt- und Sexfantasien) bietet ein dumpf rumpelndes Minimal-Schlagzeug am Bühnenrand. »Verkleidet« als stilisierte Figur eines juvenilen Working-Class-Boy aus viktorianischen Tagen wechselt der »keltische-Mogli« die Instrumente kaum weniger oft als die Nuancen seiner ca. siebzehn Oktaven umfassenden Stimme. Zwischen voluminösem Bariton und kreidegenährtem, kopfstimmigem Wolfsgeheul liegt oft nur der Flügelschlag eines Schmetterlings, und doch ein ganzes Ausdrucksuniversum. Genauso virtuos wirbelt der, mit verschwitzem (diesmal schwarzem) Haar sogar Connor Oberst ein wenig Ähnelnde, zwischen Klavier, Bariton Ukulele, »normaler« Ukulele und Violine hin und her. Letztere zupft er wie eine Gitarre, und bestreitet nur mit dieser Minimalbegleitung beeindruckend ganze Songs. Eine ordinäre Gitarre würde der von der britischen Presse ein wenig unbeholfen als »Björk as a Boy« Bezeichnete wahrscheinlich nicht einmal mit dicken Wo(l)lfäustlingen anfassen. Vier Saiten sind mehr als genug!

Der Verlockung, durch allzu prägnant ausgestelltes Könnertum in eitles Posing abzugleiten, kann die »Circe« Wolf stilsicher widerstehen. Und dann ist da auch noch diese unbändige Begeisterung, mit der Wolf seine Stücke interpretiert; ein geborener Performer, der seiner Stimme ohne Hemmungen freien Lauf lassen kann und trotzdem wahrscheinlich um die Gefahren der Authentizitätsfalle – zumindest intuitiv – Bescheid weiß. Fast schon klischeehaft verkörpert er damit einen Künstlertypus, der wohl in einem bürgerlichen Beruf kläglich scheitern würde. Mehr noch als in der Live-Performance auf seinen Veröffentlichungen gelingt es ihm, ein originäres musikalisches Idiom zu erschaffen, und das ist in einer unüberschaubar gewordenen Popmusik-Landschaft alles andere als selbstverständlich. Die nächste Platte soll auch schon so gut wie fertig sein, und spätestens nächstes Jahr wollen wir wieder mit dem wildromantischen Wolf tanzen, aber dann bitte wieder mit Laptop! Wenn im Hobbes’schen Sinn »der Mensch dem Menschen ein Wolf ist« (Homo homini lupus), dann wollen wir hoffen, dass dieser mit Vornamen Patrick heißt.

Home / Musik / Konzert

Text
Stefan Koroschetz

Veröffentlichung
17.05.2005

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