Sie war eine meiner Lieblings-R’n’B-Sängerinnen, mit Titeln wie »Are You That Somebody«, der aktuellen Single »We Need a Resolution« und vor allem dem Smash-Hit »Try Again«, der ihr eine Grammy-Nominierung einbrachte, bewies sie ihr außergewöhnliches Talent.
Aaliyahs neues, drittes Album, simpel »Aaliyah« betitelt, ist gerade erst erschienen, die neue Single kann sich regen Airplays und guter Chartplatzierungen erfreuen. Ihr Tod kommt an einem Zeitpunkt, an dem ihre Karriere gerade am Abheben war. Auf dem Heimflug von den Bahamas, wo sie sich für einen Videodreh aufgehalten hatte, stürzte ihr Flugzeug kurz nach dem Start ab, mit ihr starben sieben weitere Personen.
Nachrufe in den Musikmedien haben irgendwie oft diesen schalen Beigeschmack, werfen die Frage auf, bis zu welchem Grad ein Musikjournalist wirklich Anteil am Tod einer meist persönlich nicht bekannten Person nehmen kann, inwiefern der Tod einer der medialen Figuren wirklich berührt, oder ob nicht der Nachrichtenwert, der im Endeffekt zählt, die eigentliche Motivation dahinter ist. Schließlich sind Stars nicht unersetzbar, die von ihnen zu spielenden Rollen im Medienzirkus sind bereits geschrieben und nur noch zu besetzen. Auch für Aaliyah wird Ersatz gefunden werden. Nachdem – wie wir schon bei Notorious BIG, Freddy Mercury oder Kurt Cobain beobachten konnten – das künstlerische Vermächtnis noch wirtschaftlich bis an die Grenzen des erträglichen ausgeschlachtet worden sein wird, werden neue Stimmen und Gesichter auftauchen, der Markt uns mit neuer Ware versorgen.
Das Einzelschicksal mutet immer tragisch an, neben den primär Betroffenen (Verwandte, Freunde) kommt in der Sphäre des Startums noch eine Ebene hinzu: Die Medien haben sie zu Idolen, Identifikationsfiguren gemacht, im »Fan sein« bauen sich virtuelle Beziehungsmuster auf, wird daher auch Trauer empfunden, wenn eine dieser vertrauten Figuren ein tragisches Schicksal erleidet. Mit melodramatischen Mitteln wissen die Medienmacher zusätzlich an den Emotionen rühren, man sehe das am Beispiel der weltweiten Trauer nach dem Tod von Lady Di.
Um nicht in den Verdacht zu geraten auf der Medien-Gefühlsorgel zu spielen, bleibt dem Nachrufschreiber nur wenig Raum: Der, der sich mit dem kreativen Werk der KünstlerInnen beschäftigt, eine Würdigung des Schaffens, ein Hervorheben jener Aspekte am Schaffen, die MusikerInnen wie Aaliyah auch in einem von Ersetzbarkeit und allzu oft inflationären, dabei Mengen an Müll und Plastik produzierenden, Musik- und Medienmarkt, heraushebt:
Warum Aaliyah im skug, mag sich manch einer Fragen? Hat Mainstream hier etwas verloren? skug berichtet über gute Musik, und die gibt’s auch im charttauglichen Bereich.
Erhabene Hinterlassenschaft
In Brooklyn geboren und in Detroit aufgewachsen, veröffentlichte Aaliyah (Suaheli für »die Erhabene, Verklärte«) Haughton ihr Debütalbum »Age Ain’t Nothing But A Number« mit Vierzehn. Während sie weiterhin die Schule und anschließend das College besuchte, nahm sie ihr zweites Album »One in a Million« auf, mit dem sie den Durchbruch schaffte. Das neue Album ließ fünf Jahre auf sich warten, Jahre in denen Aaliyah aber trotzdem präsent blieb: Zum einen hatte sie zwei Hits, »Are you that Somebody« und »Try Again«, beide für Soundtracks und beides Kollaborationen mit Beatgenie Timbaland. Dieser baute um ihre hervorragende Stimme herum abstrakte, doch bis in den letzten Groovepartikel funkige Instrumentals, die, siehe Capletons Adaption des ohnehin stark raggalastigen »Try Again«- Riddims, auch für sich selbst stehen können.
»Try Again« war Teil des Soundtracks zu »Romeo Must Die«, dem Film, in dem Aaliyah ihr Schauspiel-Debüt gab. Dass schauspielende Sängerinnen nicht immer zu überzeugen wissen, ist spätestens seit Madonna bekannt, doch in dieser kritischen Situation bewies die Sängerin Geschick und Talent. Geschick insofern, als die Rolle innerhalb ihrer Fähigkeiten lag, Talent insofern, als dass ihre schauspielerischen Fähigkeiten ihren musikalischen und auch ihren tänzerischen nicht viel nachstanden. Was dazu führte, dass sie auch eine Rolle in der Anne-Rice-Adaption »Queen of the Damned« und im »Matrix«-Sequel bekam. (Wann, ob und wie diese Filme nun kommen, ist mir nicht bekannt). Somit erscheinen die fünf Jahre zwischen den Alben gar nicht so lange.
Auf dem neuen Album finden sich wieder drei Co-Produktionen mit Timbaland, neben anderen R’n’B-Perlen, die in Anbetracht dieser traurigen Tatsache nun als letztes (hoffentlich – wir wollen keine 100.000 »posthumen Produktionen« wie bei 2Pac und BIG) Zeugnis dafür stehen, dass für kurze Zeit eine junge Frau beachtenswerte, durch Qualität, Professionalität und Talent herausragende Musik machte.
See also: Aaliyah Homepage