Die Labelindustrie war 1997 weit weg von der Berliner Szene, so gab es vielerorts Bestrebungen etwas Eigenes zu machen – das Sonar Kollektiv, »de:bug« und Shitkatapult feiern heuer ebenfalls ihr zehnjähriges Jubiläum. Außerdem hat sich zu dieser Zeit eine Szene abseits der dominanten Berliner Club- und DJ-Kultur etabliert: In offenen Wohnzimmern wurde zu selbst gebackenen Keksen Live-Musik kredenzt. Die Kommunikation mit Publikum war wichtig, leise Musik und eine wohlige Atmosphäre.
In dieser kreativen Aufbruchsstimmung und zum Andenken an ihren gerade verstorbenen Goldfisch Monika, gründete Gudrun Gut Monika Enterprise, ein Sprachrohr für Musik zwischen Indie und Elektronik, für MusikerInnen die am Song und gleichzeitig am Aufbrechen von dessen Strukturen interessiert sind. Artists mit einem Hang zu Experimenten, »sonderbarer« Musik aber auch mit gewissem Pop-Appeal, wie Barbara Morgenstern, Contriva, Quarks, Figurine, Mascha Querella, Michaela Melian und die Cobra Killers versammeln sich hier. »Die Musik will gelebt sein. Sie soll unterhalten, überraschen und faszinieren, wir müssen feuchte Augen und nasse Hände kriegen«, meint Gudrun Gut. Genau diese Wärme und Begeisterung schwappte mir entgegen als ich Ende Oktober 2007 das Monika-Büro in Guts Privatwohnung betrat. Mir kommt Barbara Morgenstern in den Sinn: »Wenn die Schönheit an sich sich in tausenden Gesichtern zeigt / Und Verschiedenheit die Richtung weist / Sind wir reich und es blüht…«.
In dieser Umgebung ist es nicht schwer mit der M-affinen Labelchefin (Moabit Musik, Monika Enterprise), Radiomacherin und Musikerin (Malaria!, Mania D) Gudrun Gut über Lust und Frust im Labelgeschäft, die Liebe zum Detail und die Umbruchphase in der Musikindustrie zu plaudern.
Was macht den Stil von Monika aus? Wie findet ihr neue KünstlerInnen bzw. wie finden diese zu euch? Gudrun Gut: Zu Beginn haben wir vor allem neuen MusikerInnen aus unserem Bekanntenkreis, wie Quarks, eine Plattform geboten. Mittlerweile ist die Radiosendung »Ocean Club« auf RadioEins (rbb), die ich unter anderem mit Thomas Fehlmann (The Orb) einmal die Woche gemeinsam gestalte, ein Fixpunkt, um regelmäßig Neues zu hören. Mit »Ocean Club« waren wir in den letzten Jahren immer wieder zu Gast in Clubs Rund um die Welt, bei der Gelegenheit gibt’s auch oft was zu entdecken.
Außerdem kriege ich viele Tipps von Artists die auf unserem Label sind. Natürlich bekommen wir auch Demos, doch die höre ich meist nur nach persönlicher Empfehlung, denn Platten von neuen KünstlerInnen einfach so zu releasen ist schwierig. Monika ist ein kleines Label, wir kommen nur mit drei bis vier Veröffentlichungen pro Jahr raus und versuchen so ein hohes Qualitätslevel zu halten. Wir wollen KünstlerInnen die für sich stehen und sich musikalisch zwischen Elektronik, Songwriting und Pop befinden bzw. die Grenzen dazwischen aufbrechen! Bei den »4 Women«-Alben, die wir selber produziert haben, geht es zusätzlich darum, weibliche MusikerInnen zu fördern und zu präsentieren, solche die nicht nur Singen. Unser Markenzeichen ist es KünstlerInnen aufzubauen, wir pushen die Leute nicht, setzen sie nur ins richtige Licht. Ich finde es langweilig, wenn jede Veröffentlichung von einem Label irgendwie ähnlich klingt, der eigene Charakter der KünstlerInnen soll im Vordergrund stehen! Also versuchen wir nur »Geschäftspartnerin« zu sein, setzen niemandem ProduzentInnen vor, geben maximal Tipps wenn es überhaupt nicht passt. Da muss klar sein, dass die MusikerInnen hinter dem stehen was sie machen, sich richtig einsetzen dafür und das auch wollen: in der Öffentlichkeit zu stehen, Konzerte zu geben etc. Sonst war die ganze Arbeit vergebliche Liebesmühe, auch wenn’s gute Musik wäre.
Mit dem »Ocean Club« kommst du viel in der Welt herum. Wie sieht das bei Monika aus, das »Enterprise« im Namen impliziert ja geradezu, Abenteuer in der Ferne zu suchen, schafft ihr es auch international Response zu bekommen? Der »Ocean Club« ist hier ein wichtiger Faktor, wir senden nicht nur in Deutschland (Berlin, Frankfurt, Nürnberg, bald in Hamburg), sondern auch in Russland (Red Army FM) und China (TAKE 10). Eine feine Gelegenheit die neuesten Releases zu präsentieren. Was ich besonders spannend dabei finde ist, dass wir nicht nur online senden, ein Radiogerät ist leichter verfügbar als ein Computer mit Internetanbindung und das macht die Zugangsschwellen niedriger. Mit einem »Ocean Club«-Event waren wir auch zum ersten mal in China und hatten wegen des Erfolgs u.a. geplant »Raumschiff Monika« dort zu veröffentlichen. Das hat aber aus undurchsichtigen Gründen nicht geklappt, obwohl wir sogar die Lyrics eingereicht haben damit sie als systemkonform durchgehen. Ein Problem das wir dabei haben in China, aber auch in Indien oder Russland wirklich Fuß zu fassen und etwas zu verkaufen ist der dort besonders florierende Handel mit Raubkopien. Darüber hinaus ist es schwierig, weil der Vertrieb nicht liefern will, da Pakete nicht oder nur mangelhaft versichert werden können, ähnlich ist es in Südamerika und Afrika.
In Argentinien haben wir gute Kontakte übers Goethe Institut und haben mit dessen Unterstützung feine Abende in Buenos Aires veranstaltet. Daraus hat sich auch ergeben, dass wir die argentinische Band Lile – mit der neuer Schiene »Monika Market« – in unseren Vertrieb mit rein nehmen, in Chile oder Argentinien gibt es keine Indie-Vertriebe. So leisten wir eigentlich in beide Richtungen wichtige Kulturarbeit für Deutschland bzw. Europa die wenig oder gar nicht gefördert und finanziert wird.
Tja, in die USA exportieren wir sowieso direkt und auch in Japan funktioniert der Markt für uns wie in Europa. Monika ist mittlerweile sehr gut vernetzt auch im Online-Vertrieb.
Was macht am meisten Spaß an der Label-Arbeit?
Eigentlich fast alles! Wenn wir gerade etwas Neues produzieren und das dann fertig wird, ist das natürlich ein ganz besonderer Moment. Unsere Label Abende sind auf jeden Fall ein Highlight, speziell das unmittelbare Erleben der Musik und wie das Publikum drauf reagiert. Zum Beispiel gab es beim zweiten »4 Women«-Release ein gemeinsames Konzert der vier Musikerinnen, was besonders spannend war, weil nicht klar war, ob und wie diese persönlich bzw. musikalisch harmonieren, sie kannten sich vorher noch nicht. Das hat erstaunlich toll funktioniert, auch mit den Übergängen zwischen den einzelnen Acts. So etwas freut einen! Aber auch die Kleinigkeiten können total viel Spaß machen, wenn Uta und ich etwa eine neue Anzeige basteln.
Was ich überhaupt nicht mag, ist es, Dingen hinterher zu hecheln! Darum versuche ich darauf zu achten, dass wir nicht zu viele Projekte gleichzeitig am Start haben, damit wir das was wir machen gut betreuen können. Qualitätskontrolle sehe ich als zentralen Auftrag eines Labels, jetzt wo sich der Musikmarkt in einer Umbruchphase befindet – unübersichtliche Online-Vertriebe, Einbruch der Verkaufszahlen gerade im Indie-Bereich – könnte dies noch mehr in den Vordergrund rücken. Die Krise in der Szene wird sich vielleicht genau durch eine Filterfunktion die stärker von Labels übernommen wird, wieder einkriegen lassen.
Was planst, wünschst und erwartest du für die Zukunft? Auf welche Gückskekse aus der Monika-Backstube dürfen wir uns freuen? Wie wird es mit dem Vertrieb weiter gehen, nachdem euer Exportbüro Hausmusik in Konkurs gegangen ist? Die Vertriebsveränderungen sehen so aus, dass das Vinyl von Kompakt übernommen wird, Indigo übernimmt fast den gesamten Katalog von Hausmusik, auch den Export. Der Wechsel ist sehr solidarisch abgelaufen, wir sind auf einer anderen Ebene ja schon länger Partner. Schade, dass die Zusammenarbeit mit Hausmusik vorbei ist, bleibt nur zu hoffen, dass es mit Indigo ähnlich positiv weiter geht. Nach dem Geburtstagsfest will ich dann zwei Monate relaxen. In den letzten Monaten war es sehr hektisch, der Vertriebswechsel war nervig, besonders weil wir ger
ade drei Releases am Start hatten und sich somit alles verkompliziert hat. Außerdem kriegt Uta Heller – meine Monika Nr. 1 – ein Baby, also werden wir bei Monika insgesamt einen Gang runter schalten nach dem Jubiläum. Ich will mir endlich wieder mal den Backkatalog durchhören und mir Zeit nehmen zum Zurückblicken, wann wenn nicht jetzt!
Dann ab in den Urlaub in die USA, ich möchte FreundInnen besuchen, LabelbetreiberInnen treffen, um mit ihnen zu diskutieren, wie sie mit der momentanen Situation am Musikmarkt umgehen bzw. diese einschätzen – die AmerikanerInnen sind uns ja, was neue Geschäftsmodelle betrifft, immer etwas voraus – und ein Konzert werde ich auch spielen. Nach dieser Verschnaufpause präsentieren wir unsere Jubiläums-Compilation »Monika Bärchen: Songs For Bruno, Knut & Tom« – durch den Vertriebswechsel verspätet – im Jänner 2008, für den Sommer ist der dritte »4 Women«-Release in Planung und im Herbst soll ein Barbara-Morgenstern-Album veröffentlicht werden.
Du hast von einer Krise in der Szene gesprochen, einer Umbruchszeit am Markt und der Frage wie ein Label damit umgehen kann. Kannst du das genauer ausführen und gibt es schon konkrete Ideen, wie ihr dem begegnen werdet? Obwohl wir irre viel gearbeitet und uns echt bemüht haben, gute KünstlerInnen rauszubringen und ein hohes Qualitätslevel zu halten, sieht es finanziell absolut katastrophal aus, bei anderen kleinen Labels ist es ähnlich. Die Verkaufszahlen sind in den Keller gesunken und das einzige, womit wir derzeit noch ein wenig verdienen, ist das Online-Geschäft.
Die Zukunft des Musikmarktes liegt sicher im Netz, ich finde es aber auch unheimlich schön, ein physisches Produkt in den Händen zu halten. Deshalb gibt es die Überlegung, nur noch Vinyl zu veröffentlichen und der Platte einen Gutschein für einen Gratis-Download des Albums beizulegen. Mit einem CD-Release wird ja eine unglaubliche Apparatur losgetreten, der normale Verkaufsweg hat sich hier vermutlich erschöpft. Ich glaube wir befinden uns gerade in einer Übergangsphase in der Musikindustrie, in der der Wert von Musik total verkannt wird. Hier muss ein Umdenken in Gang gesetzt werden!
Barbara Morgenstern: »Das schöne Einheitsbild« auf »The Grass Is Always Greener«, 2006
Aktuelle Releases: Chica And The Folder: »Under The Balcony«
Michaela Melian: »Los Angeles«
V.A. »Monika Bärchen: »Songs For Bruno, Knut & Tom« “ – Abo-Geschenk bei skug-Abo!