Eine Woche hat Benning auch durch seine physische Präsenz das Filmprogramm begleitet und ist hierbei Rede und Antwort gestanden. Außerdem wurde bereits im Rahmen der Filmschau auch die erste Monografie, die sich ausschließlich mit den Werken des Künstlers beschäftigt, veröffentlicht. Herausgegeben wurde das umfangreiche Buch von Barbara Pichler und Claudia Slanar, fachkundige Filmwissenschafterinnen v.a. im Bereich Landschafts- und Experimentalfilm. In der Publikation vom Filmmuseum und Synema versammeln sie unter anderem Beiträge seiner Tochter Sadie Benning (selbst anerkannte Künstlerin und Mitbegründerin von Le Tigre), der Koryphäe der Kulturwissenschaften, Dick Hebdige, dem Künstler Allen Sekula, sowie zahlreichen anderen verdienstvollen Personen.
Der heute an der renommierten Kunstuniversität California Intstitute of fine arts unterrichtende Filmemacher Benning wurde 1942 in Milwaukee in einfachen Verhältnissen geboren, erst nach einem abgeschlossenen Studium der Mathematik entschloss er sich auch, Film zu studieren. Während seiner Studienzeit engagierte er sich stark in der Friedensbewegung was ihm unter anderem eine Kündigung seiner Lehrstelle am Paul Smith’s College einbrachte.
Der als Autodidakt in die Kunstwelt geratene Benning (laut eigener Aussage stammt er aus einer Familie, die weder gelesen hat, noch sonst irgendeinen Zugang zur Kunst hatte) bringt ein hohes Interesse an Kunst, besonders an der so genannten »folk art« (etwa dem in Alabama aufgewachsenen Sohn eines Sklaven, Bill Traylor, der in unzähligen Bildern seine Welt dokumentiert hat) mit, das auch in seinen Filmen durchdringt (deutlich auch in seiner aktuellen Arbeit »casting a glance«, in der er sich mit den zeitlichen Spuren der bedeutenden Landart-Installation »Spiral Jetty« von Robert Smithson beschäftigt). Seine ersten filmischen Experimente sind geprägt von Zeichnung und Malerei. Benning: »the camera functions as a paint brush«.
In Bildkomposition und Farbgebung zeigt sich dieses Interesse auch in seinen jüngeren Arbeiten (wie etwa fabulös in »Four Corners« von 1997), auch direkte Verweise, wie Bilder die durch die Leinwand getragen werden kommen vor, etwa in »One way Boogie Woogie«.
Zeitweise scheint hier ein durchaus lakonischer Humor durch (wie auch in seinen anderen Werken).
Bennings Werk wird dem strukturellem Avantgardekino zugeschrieben, sowie der Filmbewegung »New Narrative«.
Sein Œuvre (bislang 34 Filme) ist gekennzeichnet durch eine kinematographische Auseinandersetzung mit Bild und Ton, eine sorgfältig ausgewählte Kadrierung, einem hohen Interesse an Bildkomposition, Licht und Farben, sowie der Beschäftigung mit der Materialität von Film. Besonders in seinen jüngeren Arbeiten dominieren statische Einstellungen.
Orte und Räume sind sehr wichtig, Bennings Arbeiten stellen präzise Studien amerikanischer Landschaft dar. Oftmals werden Spuren von Industrialisierung sichtbar, Ölpumpen, längst aufgelassene und verfallene Fabrikshallen. Benning spricht hier von einem »interest in human activity that becomes an industrial installation in landscapes«.
Neben dem bislang eigentlich eher unbekannten Frühwerk des Künstlers zeigt das Filmmuseum auch jüngere Arbeiten, die bereits auf diversen Ausgaben der Viennale ihre Premiere feiern durften, wie »13 Lakes«, »Ten Skies« und »One way Boogie Woogie«. In »Cycling the image« dokumentiert Reinhard Wulf auf unaufdringliche Weise die Arbeitsweise von Benning, zeigt ihn bei seinen einsamen ausgedehnten Reisen (stets mit dem Auto, sozusagen »on the road«) durch das ländliche Amerika, bei der sorgfältigen Motivauswahl und der stetigen Ruhe, die den Filmemacher umgibt.
Auf seine aktuellen Produktionen wie »casting a glance« und »RR« sei besonders hingewiesen. »RR« steht für Railroad und zeigt in meisterlichen 37 Einstellungen Züge, die sich durch die amerikanische Landschaft schlängeln. Benning bringt von Kindesbeinen an, ein großes Interesse an Eisenbahnen mit, in fast allen seinen Arbeiten kommen Züge zum Vorschein. Interessant hierbei auch die Verknüpfung von Film und Eisenbahn. Beide haben in der Moderne ihren Ursprung und sind von der rhythmischen Bewegung geprägt. Nicht umsonst sind sie auch Thema der quasi ersten (kommerziellen) Vorstellung des Kinos »L’Arrivèe d’une train á LA Ceotat« der Gebrüder Lumiére von 1896.
Heute kaum noch vorstellbar, aber »a train was the fastest thing in the 19th century« (Benning). Züge sind in Amerika noch heute das wichtigste Transportmittel für Güter. In einem wunderbar gewählten Bildrahmen sehen wir Züge, die sich in die vorherrschende Landschaft einpassen (ein Zug kann beispielsweise nicht mehr als 2° Steigung überwinden) und in einsamen Gegenden ihrem Zielort entgegenfahren. Die Dauer der Einstellungen ist hierbei so gewählt, das sie von Länge der Züge bestimmt ist, ein Bruch in seinen Arbeiten, da sich der Künstler die Dauer seiner Ausschnitte immer selbst, nach bestimmten Mustern operierend (in »13 Lakes« oder »10 Skies« etwa dominierten jeweils 10-minütige Einstellungen,) festgelegt hat.
Ein Film der mehr als sehenswert ist und ebenso wie sein restliches Gesamtwerk wohl nicht so bald wieder gezeigt werden wird. Laut eigenen Aussagen des Filmemachers handelt es sich um eine der letzten Arbeiten in diesem Stil, da er sich nunmehr auf digitale Techniken konzentrieren möchte: »An old dog has to look for something new«.
Die Filmschau im Filmmuseum endet am 30.11. und schließt mit einem Vortrag des Filmpublizisten Dominik Kamalzadeh: »Landscapes of Violence«.