»Analog Days«
Mike Ott präsentiert uns in seinem Debütstreifen eine Gruppe, die ein Gemeinde-College irgendwo in Kalifornien besucht. Es ist ein Coming-of-age-Film, in dem es darum geht, langsam erwachsen zu werden und die Ängste die damit verbunden sind.
Sympathische Slacker, die nebenbei in einem Videoladen und ihre Freizeit mit Herumhängen mit ihren Freunden verbringen.
Ironische Seitenhiebe bleiben dabei nicht aus, wie beispielsweise die Bemerkung gleich zu Beginn in Bezug auf die renommierte Kunstschule »CalArts«: »The teachers there suck«. Popkulturelle Referenzen wie ein Loser-T-Shirt dienen als Streitauslöser.
Das liberale Collegemilieu, in dem Wahlwerbung analysiert wird, das viele Herumschwafeln in Artschools, zeichnen ein Bild des stereotypen amerikanischen Universitätswesens.
Abseits des Colleges findet man die Protagonisten in großräumigen Landschaftsaufnahmen wieder, angesiedelt irgendwo im Abseits bei den amerikanischen Wastelands. Abermals Nicht-Orte. Jede der Figuren scheint im Collegeleben nicht wirklich Erfolg zu haben, irgendwie neben sich zu stehen, nicht in die Institution integriert. Die Lehrer machen sich eher über die Protagonisten lustig und nehmen sie nicht ernst.
Der klassische Outkast-Loner mit zerrissenen Jeans, dessen blonden Haare ständig ins Gesicht hängen, um seine Narben/sein Feuermal zu verdecken ist zu scheu, um seine Angebetete anzusprechen und überreicht ihr statt dessen lieber mal ein Tape, das er für sie aufgenommen hat.
Peter bekommt während seines herunter gestammelten Vortrags vor der Klasse Schweißausbrüche. »Been pretty used to being the one you always ignore« singt eine der Clique und es scheint symptomatisch für sie alle zu sein. Angst davor wie die Eltern zu werden.
Im Monatstakt sehen wir Episoden, in denen sich nichts groß verändert. Es herrscht Wahlkampf in der kalifornischen Kleinstadt Newhall. Der Republikaner Lundgren dient als Analogie zu Schwarzenegger, der ausruft: »I’m proud to be american & I’m proud to be a republican«. So plätschert der Film bis zum Schluss vor sich hin, ohne große Ereignisse, wie auch das Leben der jungen Figuren.
Ein wenig fühlt man sich an den 90er Jahre Indieslackerhit »SubUrbia« von Richard Linklater erinnert. Ein Film, dem neben seiner gefühlvolle Betrachtung der Protagonisten auch eine schöne Tonigkeit auszeichnet.
Als Bonuszuckerl gibt es obendrein noch einen netten Indiescore für eine sich treiben lassende Jugend, die bestenfalls nur noch eine vage Vorstellung davon hat, was sie mit ihrem Leben in der Zukunft anfangen soll, bestehend aus Wolf Parade, Joy Division, Clap Your Hands Say Yeah, Bloc Party, Iron & Wine, Elliot Smith usw.
Heute um 16:00 Uhr in der Urania
»Stephanie Delay«
Stephanie, gerade mal 16 Jahre alt, wird am Mord an ihrem Baby beschuldigt, sie behauptet bis zuletzt nichts von ihrer Schwangerschaft gewusst und das Kind tot geboren zu haben. Layide Crane (großartig besetzt mit Tilda Swinton!) wird mit den Ermittlungen beauftragt. Sie ist eine auf Verbrechen spezialisierte Psychologin und selber, nach einer bereits erlittenen Fehlgeburt, gerade schwanger.
In nicht linear erzählter Weise erzählt der Film die Geschehnisse. Ein Film der in Rückblenden erzählt wird, unterschnitten mit Interviews, die die Forensikerin mit der jungen Protagonistin in der Gegenwart führt. Fragmentarisch zeichnet der Film Stück für Stück die Ereignisse nach und rollt die Geschehnisse auf.
Hilary Brougher präsentiert uns einen netten, recht konventionellen Independentfilm, der mitunter wie nach dem Regelbuch gemacht worden zu sein scheint, und dann doch etwas lieblos wirkt. Der Film wirkt manchmal doch zu klischeehaft, eine gewisse Brüchigkeit, die den Film interessanter machen könnte, fehlt.
Amber Timblyn wirkt ein wenig fehlbesetzt, man scheint ihr ihre Rolle nicht zu glauben, vor allem weil sie viel zu alt für eine Sechzehnjährige erscheint. Eine angenehme trübe Tonigkeit und schöne Kameraeinstellungen machen diesen Film dennoch sehenswert.
Symptomatisch scheinen viele Beiträgen aus den USA das dort herrschende repressive Klima auch filmisch thematisieren zu wollen. Oftmals nur am Rande merkbar, wie beispielsweise die Radioreden in Zeiten der Bush-Ära bei »Old Joy« während den langen einsamen Autofahrten durch amerikanische Wastelands. In »Stephanie Delay« sind es leise Seitenhiebe auf die verklärte Sexualpolitik, zum Beispiel während des Aufklärungsunterrichts in amerikanischen Highschools, die man als Kritik verstehen könnte.
Puppen werden verteilt, die in regelmäßigen Abständen biepen, um ihnen so den Zeitaufwand eines Babys zu verdeutlichen.
Abstinenz wird im Sexualkundeunterricht als bestes Mittel zur Verhütung (im Vorzug zum Kondom) genannt, die Existenz Gottes nicht einmal in Frage gestellt.
Heute um 21:00 Uhr in der Urania
Shortcuts:
»9m2 pour deux«
In diesem Film wurde in einem Marseiller Gefängnis eine 9 qm große Gefängniszelle als Filmset nachgebaut. Ausgewählte Insassen inszenieren in dieser Versuchsanordnung ihren Gefängnisalltag.
Heute um 11:00 Uhr im Metro
»Zorros Ba Mizwa«
In Ruth Beckermanns neuer Dokumentation begleiten wir vier Jugendliche auf den Vorbereitungen zu ihrer Bar Mizwa. Eine filmische Reflexion über die Inszenierung eines alten Brauchs.
Heute um 20:30 Uhr im Künstlerhaus.
Events:
In der Lecture »It’s only Rock n‘ Roll« wird der Berliner Autor und Philosoph Rudi Thiessen eigene und fremde Texte zum Mythos der Protestbewegung vortragen.