»[…] das unglaublich kurze Gedächtnis der Wirtschaftstheoretiker und -praktiker. Es zeigt uns auch, wie dringend eine Gesellschaft Historiker braucht, die professionell an das erinnern, was ihre Mitbürger zu vergessen wünschen. […] Nur eine Rationalisierung ex post kann den Faschismus mit Lenin und Stalin entschuldigen.«
Eric Hobsbawm, »Das Zeitalter der Extreme« (1994)
Das Gespenst des Klassenkampfs als Wiedergänger
Eine Neue Linke 4.0 wäre nun durch die ersten drei Teile dieser Artikelserie gut vorbereitet, wenn es uns gelungen ist, zu verdeutlichen, dass wir auf höchstem soziologischen, ökonomischen und philosophischen Niveau durch die Marxschen Gespenster alle methodologischen Instrumente in der Hand haben, um unsere Welt zu beschreiben. Denn diese sollte begriffen werden als jener hochkomplexe und ausdifferenzierte soziale, ökonomische und mediale Raum unserer spätkapitalistischen digitalen und kybernetischen Wissens- und Informationsgesellschaften (Tiqqun 2007), der sich am Beginn des 21. Jahrhunderts mit Hilfe logisch und epistemologisch abgesicherten Klassifikationen als ein Raum von Klassen darstellt, deren Interessen in komplizierten Klassenkämpfen feldspezifisch aufeinander krachen. Dabei kann auf globaler, kontinentaler, nationaler und lokaler Ebene die Existenz von Proletarier*innen (als Kognitarier*innen und Prekarier*innen) schlicht nicht geleugnet werden, wodurch die archäologische Relektüre von Marx und Engels mehr als Erstaunliches zu Tage fördert. Dies hat jüngst der große italienische Philosoph, Diskurs- und Sozialhistoriker Domenico Losurdo auf mehr als 400 Seiten deutlich gemacht, nachdem er mit seinem sehr umfangreichen und faszinierenden Lebenswerk u. a. die Nietzsche-Forschung revolutionierte (Losurdo 2009) und ein sehr wichtiges Buch zur Geschichte der Stalin-Bilder vorgelegt hatte (Losurdo 2013). In »Der Klassenkampf oder die Wiederkehr des Verdrängten? Eine politische und philosophische Geschichte« (Losurdo 2016) expliziert Losurdo aus der Perspektive des Historischen (und dialektischen) Materialismus die Aktualität des Klassenkampfs – auch als Interpretationsschema der gesamten Neuzeit und mithin der Moderne – und stellt ebenfalls eine rhetorische Frage, deren Antwort indes sonnenklar ist. Der erste Satz seines Meisterwerks ist deshalb hinsichtlich des (proletarischen) Prekariats paradigmatisch:
»Während die ökonomische Krise die soziale Polarisierung weiter verstärkt und, darin die historische Erinnerung an die Große Depression von 1929 auffrischend, Millionen Menschen zur Erwerbslosigkeit, zur Prekarität, zur alltäglichen Existenzangst, gar zum Hunger verdammt, häufen sich die Aufsätze und Artikel, die von einer ›Rückkehr des Klassenkampfes‹ sprechen. War er also folglich verschwunden?« (ebd.: 9)
Was den Hunger betrifft, ist man gut beraten, sich an Jean Ziegler (2011), den revolutionären Genossen und Freund von Che Guevara (1989), zu wenden und somit auch »Die Verdammten dieser Erde« niemals zu vergessen (Fanon 2008). Und ja, mit den gestürzten Denkmälern für Marx und Engels und der Niederlage der realsozialistischen Staaten am Ende des Kalten Krieges war auch das Grundkonzept des Historischen Materialismus, der Klassenkampf, auf dem Müllhaufen der Weltgeschichte bzw. mit den Ausgaben der MEW – oder seltener der MEGA – auf den Dachböden oder in den Kellern der an den Kapitalismus angepassten Intellektuellen gelandet. Melancholie und Orientierungslosigkeit machte sich in den frühen 1990er-Jahren breit. Eine neue Unübersichtlichkeit, die sich schon davor angekündigt hatte (Habermas 1986), führte zu einer neuen Zerstörung der (historisch-materialistischen) Vernunft (Habermas 1991; Lukács 1954). Indes war es gerade Habermas, der in der »Theorie des kommunikativen Handelns« von einer »sozialstaatlichen Pazifizierung des Klassenkonflikts« (Habermas 1988: 512) durch reformistische Keynesianische Wirtschaftspolitik gesprochen hatte – und damit (wenigstens) einen Sozialdemokratismus à la Willy Brandt oder Bruno Kreisky unterstützte -, wodurch in seiner Generation der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule eine deutliche argumentative Entradikalisierung zu verzeichnen war, die auf einer viel zu optimistischen Einschätzung der (Klassen-)Lage in Deutschland beruhte. Diese »Entschärfung« gegenüber der ersten Generation, also Benjamin, Horkheimer und Adorno, zeigt sich insbesondere in Oskar Negts Auseinandersetzung mit der Roten Armee Fraktion (Möller 2013; Negt 2015). Insofern hat sich die Eigentumsordnung in den deutschen Verhältnissen seit den Nachkriegsjahren wie schon seit Jahrhunderten eben genau nicht verändert (Brückner 2006).
Von der Krise, vom Öl und vom Kriege
Dabei lässt sich, so hält auch Losurdo fest, die »Ewigkeit des Sozialstaats« nicht »als selbstverständlich voraussetzen«, da – wie auch in dieser Artikelserie mehrfach hervorgehoben wurde – »dessen Instabilität und dessen fortschreitende Demontage mittlerweile für jedermann sichtbar geworden ist.« (Losurdo 2016: 11). Das Faszinosum unserer Gegenwart ist, dass die Schriften der Klassiker Marx und Engels – und mit ihnen der Historische Materialismus (u. a. Walter Benjamins) – durch die gesamte Geschichte der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften hindurch genau in dem Maße wieder an Plausibilität und Wahrhaftigkeit gewinnen, in dem der heutige deregulierte Kapitalismus genauso wütet wie seit dem 19. Jahrhundert nicht mehr und seine polare und konjunkturelle Krisenanfälligkeit (Sinn 26.01.2017) Tag für Tag unter Beweis stellt. Die nächste Krise – so Marx, alle Marxist*innen und damit auch ein ehedem orthodoxer (nunmehr wahrhaftig heterodoxer) Marxismus – kommt wie das Amen im Gebet. Denn im Sinne des radikalen Marxisten und Gauchisten Walter Benjamin wird die Menschheit erst dann erlöst sein, wenn unsere Vergangenheit – und damit auch die Schriften von Marx und Engels – »in jedem ihrer Momente zitierbar geworden« ist, um damit in der Jetztzeit als Klassenbewusstsein vollständig gegenwärtig und präsent zu sein (Benjamin 1980: 694). Aus diesem Blickwinkel wird historisch und tatsächlich im Sinne der Aufklärung Tag für Tag immer klarer, dass das »Goldene Zeitalter« des Sozial- und Wohlfahrtsstaates (1945-1989) gerade nicht durch »Befriedung« entstanden, sondern vielmehr umgekehrt »das Ergebnis einer politischen wie sozialen Bewegung der subalternen Klassen, also letztlich das Resultat des Klassenkampfes« (Losurdo 2016: 11) gewesen ist. Ein Kampf, den die plebejische Arbeiter*innenbewegung gegen Kleinbürgertum, Bourgeoisie und Aristokratie – mit Vorläufern – seit den Jakobinern der Französischen Revolution im 19. Jahrhundert und den Bolschewiki der Oktoberrevolution im 20. Jahrhundert hindurch revolutionär ausgefochten hatte. Der westliche Sozial- und Wohlfahrtsstaat wurde angesichts der schieren Existenz der von Trotzki aufgebauten Roten Armee nicht zuletzt durch die Entscheidungsschlacht des 20. Jahrhunderts in Stalingrad mit Millionen Toten – 27.000.000 davon »jüdische Bolschewiken« in Russland, die vom »Blitzkrieg« der Nationalsozialisten ermordet wurden – erkämpft. In diesem Sinne hielt der historische Materialist Eric Hobsbawm in Bezug auf das 20. Jahrhundert konzis fest:
»Wie sich herausstellen sollte, verliefen die entscheidenden Grenzen in diesem Bürgerkrieg nämlich nicht zwischen dem Kapitalismus und der sozialen Revolution des Kommunismus als solchen, sondern zwischen zwei ideologischen Familien: auf der einen Seite die Nachkommen der Aufklärung des 18. Jahrhunderts und der großen Revolutionen, wozu natürlich [sic! A.B.] auch die Russische Revolution gehörte [sic! A.B.]; auf der anderen Seite alle ihre Gegner.« (Hobsbawm 1999: 186)
Das Konzept des Historischen Materialismus lehrt mithin in der gesamten makroökonomischen Weltgeschichte bis hin zur mikroökonomischen Lokalgeschichte, dass es konfliktgeladene Gegnerschaften, eben Klassenkämpfe sind, die nicht durchgängig – also nicht in jedem Fall – aber der Tendenz nach und »in letzter Instanz« (Engels 1989: 25) ökonomisch bestimmt sind. Zur diesbezüglichen Erläuterung ein paar aktuelle rhetorische Fragen: Glaubt jemand, es ginge in Syrien etwa nicht um die materielle Ressource Gas (Ganser 2016)? Glaubt jemand, Gaddafi fiel und es ging nicht auch um die »historische Materialität« und die »Basis« von libyschem Öl, sondern nur um den »Ûberbau« der Menschenrechte? Und glaubt jemand, die Bush-Familie habe nach dem Sturz der Sowjetunion ganz historisch und ganz materiell mit ihren Irak-Kriegen keine blutigen, in Öl getauchten Hände (Ganser 2012)? So, we Marxists are »not ready to make nice« (Dixie Chicks 2009)!
Im Sinne des Historischen Materialismus, der nunmehr im Sinne eines »doppelten Materialismus« – der präziser noch als bei Marx die Ebene des Symbolischen und der Denkbewegungen erfasst – auch ästhetische Phänomene wie den Geschmack als materielle Klassenkonflikte und distinktive Klassenkriege begreifen kann (Bourdieu 1992), hielt Marx als Ahnherr solche Fragen in den Grundrissen deutlich fest:
»[…] Krieg früher ausgebildet wie der Frieden; Art wie durch den Krieg und in den Armeen etc. gewisse ökonomische Verhältnisse, wie Lohnarbeit, Maschinerie etc. früher entwickelt als im Innren der bürgerlichen Gesellschaft. Auch das Verhältnis von Produktivkraft und Verkehrsverhältnissen besonders anschaulich in der Armee.« (Marx 1974: 29)
Dieses zutiefst mit den Analysen des »Generals« Friedrich Engels verbundene kriegswissenschaftliche Wissen des Marxismus um den Klassenkampf führte auch Slavoj Zizek jüngst dazu, hinsichtlich der heutigen weltweiten Probleme auf das Militär zu setzen (Žižek 2015: 77). Und so gespenstert und tobt nun nach dem Ende der Geschichte der verdrängte Klassenkampf als Klassenkrieg. Ein Gespenst geht um in Europa …
Die Fabrik und die Mannigfaltigkeit der Kämpfe
In diesem Zusammenhang macht Domenico Losurdo an vielen Stellen deutlich, dass Marx und Engels die Klassenpolarität zwischen Bourgeoisie und Proletariat oft nur als Zuspitzung argumentierten und meist empirisch ein viel komplexeres »dialektisches« Verhältnis der konkreten sozioökonomischen Verhältnisse im Sinne von »Klassenkämpfen« (im Plural) in ihrer spezifischen Mannigfaltigkeit vor Augen hatten: in der Pluralität der Produktionsverhältnisse stoßen dabei Produktivkräfte in Produktionsfeldern aufeinander. Marx stand dabei vor allem die Fabrik (Marx 1989: 441-450) vor Augen, die als leibhaftige »Zentralmaschine« einen autokratischen Automaten (ebd.: 442) darstellt, der durch Ûberwachen (ebd.: 441 und 445), Strafen (ebd.: 447) und »kasernenmäßige Disziplin« (ebd.) die lebendige Arbeitskraft vampiristisch »beherrscht und aussaugt« (ebd.: 446). Innerhalb dieser Verhältnisse sind immer auch Widerstandskräfte aktiv, wobei Marx und Engels vor allem drei Achsen der Ausbeutung und Unterdrückung immer wieder in diesem Sinne korreliert und analysiert haben: die Nation etwa angesichts des irischen Unabhängigkeitskampfes, die Race angesichts der Sklaverei im amerikanischen Sezessionskrieg und das Gender etwa angesichts der sich konstituierenden Frauenbewegung, war doch für Marx »der Grad der weiblichen Emanzipation das natürliche Maß der allgemeinen Emanzipation« (Losurdo 2016: 28). Die Klassifikation von Klassen umfasst mithin auch diese Achsen der Unterdrückung. Race, Class und Gender sind denn auch bis heute – nicht nur im angelsächsischen Raum – grundlegende Kategorien der Frauengeschichte (Lerner 1997: 157). Eine schwarze, nicht ausgebildete Plantagenarbeiterin und Mutter in den amerikanischen Südstaaten des 19. Jahrhunderts war mithin schon für Marx und Engels eine dreifach auf das Brutalste unterdrückte Frau als Proletarierin, die der »Mohr« und der »General« neben und für die große Jenny mit voller Solidarität bedachten (Marx et al. 1972), weshalb sie Abraham Lincoln tatkräftig unterstützten.
Im Zuge der Erläuterung des Historischen Materialismus ist es für Losurdo darüber hinaus gänzlich klar, dass die Klassenkämpfe immer auch äußerst mannigfaltige Kämpfe um Anerkennung (Honneth 2010) zwischen Herren (Sklavenhalter/Bourgeoisie) und Knechten (Sklaven/Proletariat) darstellen, weshalb er mit breiter historischer Quellenkenntnis verdeutlicht, was die materialistische Wendung der Hegelschen Herr-Knecht-Dialektik bei Marx und Engels im Sinne einer Wahrnehmung und Analyse des sozialen Raums als Kampf- und Konfliktzone bedeutet:
»Eine bestimmte historische Situation zeichnet sich immer durch eine Mannigfaltigkeit der Konflikte [sic! A. B.] aus und umgekehrt ist jeder Konflikt seinerseits gekennzeichnet durch die Anwesenheit einer Vielfalt gesellschaftlicher Subjekte, die ihre verschiedenen und einander entgegenstehenden Interessen und Ideen zum Ausdruck bringen. Zur Orientierung in dieser Art von Labyrinth ist es nicht nur notwendig, die interne Konfiguration irgendeines dieser Konflikte zu erforschen, sondern auch, auf welche Weise sie sich artikulieren und wie sie innerhalb einer konkreten Totalität [sic! A. B.] strukturiert sind. Eine historische Krise zu meistern, ist eine Herausforderung auf theoretischer wie auf politischer Ebene.« (Losurdo 2016: 150)
Gerade das im Rahmen des Marxismus permanent diskutierte Verständnis von Revolutionen macht eine derartige Feinanalyse der Quellenlage notwendig, weil gerade mit ihnen die (historische) Möglichkeit eines Klassenumsturzes verbunden war und ist. Daher ist es ein glatter historischer Revisionismus, zu behaupten, Revolution(en) würde(n) in der Katastrophe enden. Im Gegenteil haben Revolutionen auf lange Sicht die Freiheit der Menschen befördert. De facto muss mithin jedes historische Ereignis sehr filigran anhand von schriftlich überlieferten Texten in die jeweilige Komplexität der Kontexte eingebettet werden, um die konkreten politischen Kräfte samt ihrer Akteur*innen (Marx nennt sie »Charaktermasken«) zu verstehen, die in einer gegebenen historischen Konstellation aufeinanderprallen. Es sind diese miteinander ringenden (Produktiv-)Kräfte – wirtschafts- und sozialgeschichtlich getragen von Klassen, Massen und Bevölkerungen, die sowohl für die Lokal- als auch die Weltgeschichte entscheidend sind. Ein Hegelscher synthetisierender und über dem »Realen«, dem Wirkungsverhältnis der Wirklichkeit, stehender Weltgeist ist es nicht.
Die Poesie historischer Materialisten
Wie lauteten also die »Fragen eines lesenden Arbeiters«, der in allen Wortbedeutungen ein historischer Materialist (gewesen) ist?
»[…] Der junge Alexander eroberte Indien.
Er allein?
Cäsar schlug die Gallier.
Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?
Philipp von Spanien weinte, als seine Flotte
Untergegangen war. Weinte sonst niemand?
Friedrich der Zweite siegte im Siebenjährigen Krieg. Wer
Siegte außer ihm?Jede Seite ein Sieg.
Wer kochte den Siegesschmaus?Alle zehn Jahre ein großer Mann.
Wer bezahlte die Spesen?So viele Berichte.
So viele Fragen.«(Brecht 1990: 656-657)
In diesem Gedicht ist alles für den Historischen Materialismus Nötige festgehalten. Hinsichtlich des Historischen im Historischen Materialismus, hinsichtlich des epistemologischen Profils der Geschichte also, die nach Engels die erste unserer Wissenschaften ist, behält Althusser mithin auch heute noch Recht:
»Marx hat eine neue Wissenschaft begründet: die Wissenschaft von der Geschichte. Ich werde ein Bild gebrauchen. Die Wissenschaften, die wir kennen, liegen auf einigen großen ›Kontinenten‹. Vor Marx waren der wissenschaftlichen Erkenntnis zwei Kontinente eröffnet worden: der Kontinent der Mathematik und der Kontinent der Physik. Der erste durch die Griechen (Thales), der zweite durch Galilei. Marx hat der wissenschaftlichen Erkenntnis einen dritten Kontinent eröffnet: den Kontinent der Geschichte.« (Althusser 2011: 333)
Muss man an dieser Stelle also noch einmal an den größten deutschen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts und seinen »Galilei« erinnern (Brecht 2013)? Und wenn schon nicht mit Brecht, dann wenigstens depressiv mit Heiner Müllers »Mommsens Block« als Historischer Materialismus (Müller 1993) und dem Klassenkampf als »Krieg ohne Schlacht« (Müller 1992). Denn am Ende sind Brecht und Müller gerade als Poeten zwei große deutsche Meister des Historischen Materialismus und mithin einer Geschichtsauffassung und Methode, die alle vorliegenden Ereignisse – vergangene und/als gegenwärtige, die auf die sozialistische Zukunft verweisen – in die kriegswissenschaftlich gefasste Ordnung des Klassenkampfs eintragen kann.
Somit hat nach unserer Beweisführung Marx grundlegend Recht: Wenn man etwa mit Bourdieu die Ausdifferenzierung unserer westlichen Gesellschaften entlang unterschiedlicher Kapitalsorten und ihrer Teilfelder – als kapitalproduzierende Produktionsfelder – über die Teilung in ökonomisches, soziales, kulturelles etc. Kapital vornimmt (Bourdieu 1983) und diese Sorten über die Anerkennung (reconnaissance) als symbolisches Kapital synthetisiert, so geht es eben doch um den Kopf von Marx und damit um »Das Kapital«.
Conclusio: Liberté, Égalité, Fraternité!
Und da es keine Wissenschaft ohne Klassifikation geben kann, ist die Existenz von Klassen hiermit transzendental und empirisch ausgewiesen. Die Existenz von Proletarier*innen (als Prekarier*innen und Kognitarier*innen) wurde dabei genauso eingehend diskutiert wie die grundlegende Geschichtsmacht des Klassenkampfs. Damit stehen diese Ausführungen theoretisch und praktisch zur Gänze auf Seiten der Rückkehr des Historischen (und dialektischen) Materialismus (Lefebvre 1966), wobei sich abschließend die Frage stellt, welche politischen Gegenstrategien im digitalen und kybernetischen Kapitalismus 4.0 zur Verfügung stehen, um sich der Ausbeutung, der Unterdrückung und der Repression durch Aristokratie und Bourgeoisie entgegenzusetzen. Wie könnte ein Widerstand 4.0 aussehen, der intellektuell und organisatorisch seine Schlagkraft aufbaut, um die Freiheit der Menschen zu befördern und alles zu tun, um historisch die Beendigung der Klassen- und Eigentumsantagonismen herbeizuführen? Auf dass die Ideale der Französischen Revolution Freiheit, Gleichheit und (gegenderte) Brüderlichkeit als Schwesterlichkeit und Solidarität unter den Menschen Wirklichkeit werden, ohne dass damit alle Widersprüche und Unterschiede zwischen den Menschen verschwunden wären … die ökonomischen Unterschiede aber schon. An der Gleichheit und am Glück orientierte Gesellschaften sind für alle besser (Wilkinson/Pickett 2009): Liberté, Égalité, Fraternité!
Literatur
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Bildlegende:
Abb. 1: Marx/Engels-Denkmal in Russland © Creative Commons: Igriks
Abb. 2: Domenico Losurdo © Creative Commons: Palazzo Madama Museo Civico d’Arte Antica
Abb. 3: Clausewitz © Creative Commons: Hello World
Abb. 4: VW Manufaktur © Creative Commons: Christian Gebhardt
Abb. 5: Brecht-Denkmal © Creative Commons: dusdin
Abb. 6: Liberté, Égalité, Fraternité! © Creative Commons: Jef-Infojef
Nachlese:
Mit Marx durch den März: Auftakt zu den Karl-Marx-Wochen (04.03.2017)
Marx gespenstert und hat Recht (04.03.2017)
Von Klassen und Klassifikationen (11.03.2017)
Von Proletariat, Kognitariat und Prekariat (19.03.2017)
Die Mannigfaltigkeit der Klassenkämpfe (25.03.2017)
Von der Internationale zum Neokommunismus (04.04.2017)