Alle zwei Jahre findet dieses renommierte Festival statt, das längst nicht »nur« Szenepublikum unter seinen RezipientInnen versammelt. Der allgemeine Kanon der Arbeiten deutet dennoch auf eines hin: »Shout it out loud: Out and proud«.
Eröffnet wird das Festival mit »D.E.B.S.«. Fulminant trashiges Kino dürfen wir uns hiervon erwarten. Von Superheros (natürlich allesamt weiblich), Genderbender, Action bis Liebesverwirrungen reicht das Dargebotene. Die Regisseurin Angela Robinson meint zu ihrem Debütfilm: »Ich liebe Comicbuch-Figuren wie »Drei Engel für Charlie« und »Josie & the Pussycats«. Ich habe mir immer gewünscht, dass sie lesbisch wären.«
Diesem Begehren wird hier auf höchst unterhaltsame Weise Folge geleistet.
Die restlichen Arbeiten, die im Rahmen des Festivals gezeigt werden, haben durchwegs internationalen Charakter. Mit »Was nützt Liebe in Gedanken« und »But I’m a Cheerleader« finden sich auch Werke, die dem Mainstreamkino gar nicht so fern scheinen. Eingefleischte Fans mögen dies bekritteln, sie werden aber mit unzähligen Arbeiten fernab der Genrekonventionen bestimmt besänftigt.
Insgesamt widmet man sich in acht Themenblöcken queerer Identität, wie der Titel des Festivals bereits aufzeigt. Die Leitlinien »Black Gay Identities«, »Jüdische/muslimische queere Identitäten«, »Nationale und ethnische Identitäten«, »Feministische Relevanz«, »Familie«, »AIDS« und »Out Takes – Wiederentdeckungen« bringen uns Filme näher, die sonst kaum den Weg in ein österreichisches Kino geschafft hätten.
Gespannt sein darf man unter anderem auf »The Nomi Song«. Der Regisseur Andrew Horn nähert sich in seinem dokumentarischen Porträt dem Sänger Klaus Nomi auf ungewöhnliche Weise. Er montiert Konzert- und TV-Auftritte des Stars, lässt Weggefährten zu Wort kommen und thematisiert den frühen AIDS-Tod der Schwulenikone Nomi in einer Zeit in der die Krankheit noch allgemein als gay cancer bekannt war.
»Du Ska Nog se att det går över« (»Don’t you worry. It will probably pass«) ist eine Art »Fucking ??mål« in echt. Die Regisseurin erinnert sich an ihre Jugend in einem schwedischen Kaff, wo sie sich mit ihrem homosexuellen Begehren alleine glaubte. Sie startet ein Projekt und gibt drei jugendlichen Mädchen eine Kamera in die Hand, die damit über vier Jahre lang ihren Alltag und ihre queere Lebenswelt festhalten. Ihnen allen ist der Wunsch gemein, aus der provinziellen Enge auszubrechen und endlich im fernen Stockholm ihr Glück zu finden.
»Tarnation« ist ein höchst bemerkenswertes filmisches Experiment von Jonathan Caouette, das bereits bei der Viennale 2005 viel Anklang erfuhr. Produziert wurde das Werk übriges von Gus van Sant, der Caouette zur Fertigstellung des Films ermutigt hat.
Ein fragmentarisches Meisterwerk entspinnt sich vor den Augen der ZuseherInnen. Caoutte hat seit seiner Kindheit Ausschnitte seines Lebens auf Super 8 und Video festgehalten. Das Trauma der psychisch kranken Mutter, welches sich auf den Sohn überträgt, die Rolle der Großeltern, das Heranwachsen Couette, die sich früh herauskristallisierende queere Identität, all diese Thematiken verflicht der Regisseur zu einer bruchstückhaften Collage.
Snapshots der amerikanischen Popkultur der 80er Jahre, von Musicals, Camp und nicht zuletzt der Inszenierung der eigenen Geschichte und des Traumas. Was nach Trash riecht, hat ganze 218,32 $ gekostet und ist ein höchst beeindruckendes Werk, welches man nicht missen sollte.
»My Summer of Love« ist ein feiner Film von Pawel Pawlikowski.
In einem britischen Kaff im Nirgendwo lernt Mona, die aus wohlhabenden Verhältnissen stammende, gleichaltrige Tamsin kennen. Beiden haftet das Trauma von Verlust an. Schnell verbünden sich die zwei Mädchen und werden zu unzertrennlichen Komplizinnen. Doch der unbeschwerliche Schwebezustand neigt sich wie die Sommerferien dem Ende zu.
Ein großartig gespielter Film, dem auch ein Touch von New Age innewohnt. Monas Bruder glaubt sich als wiedergeborener Christ bekehrt, eine Erleuchtung, die er offenbar mit George W. Bush gemein hat. Die zwei Mädchen frönen nicht so sehr der Liebe zu Gott, sondern stattdessen der eigenen, sich entspinnenden. Und es hat einfach etwas höchst Sympathisches und Erfrischendes, wenn Mona plötzlich aus der Badewanne auftaucht und wirre Satzfetzen von sich gibt, als sei sie besessen. Eine wohlgemeinte Referenz zu »Carrie«, der sie auch äußerlich durchaus zu entsprechen scheint.
Ein Besuch lohnt sich also allemal, und dass queere Subkulturen cool(er) sind, davon weiß nicht nur Thomas Meinecke zuletzt in »Musik« ein Lied zu singen. Heterosex haftet nicht bloß in Serien wie »Six Feet Under« das Image von biederer Langeweile oder Unzulänglichkeit an. Scheinbar gilt mit Knarf Rellöm gesagt: »Ihr wollt Kuschelsex, fickt euch«. Oder mit dem Pathos von Jochen Distelmayer: »Wenn das nicht Liebe ist, ist es die Bombe«. Die Mühe scheint sich also zu lohnen. Im Hintergrund hören wir noch leise Donnie Darko flüstern: »I promise, that one day, everthing’s going to be better for you«.
Detaillierte Programminformationen und Werkbeschreibungen unter: www.identities.at