Inspiriert vom italienischen Neorealismus und verschiedenen Wellen im europäischen Kino, lehnten die Autoren, Akteure und Agitatoren der Black Wave Filmbewegung (Crni val 1961-1973) die Normen, Ideale sowie den sozialistischen Optimismus der selbstgefälligen offiziellen Kultur von SFRJ ab. Stattdessen zeichneten sie mit ihren Kameras offen, dafür aber umso feinsinniger, die dunklen Seiten der sozialistischen Gesellschaft – allem voran die Wahrheit ihrer verborgenen kapitalistischen Seite, ab. Etwas, das bei der Umsetzung von Marktwirtschaftsstrukturen und derer verheerenden sozialen Folgen, wie Arbeitslosigkeit, massive Migration von Arbeitskräften, Armut, Kriminalität, etc. ihre Geburt fand. Da diese Themen bis heute nichts an globaler Authentizität verloren, bloß anders verkleidet sind, bringen wir im Rahmen einmaliger Vertonungsreihen ausgesuchte, hierzulande noch teilweise unbekannte Experimentalfilmwerke vieler ‚prominente‘ Avantgardefilmemacher aus Ex-Jugoslawien, in regelmäßigen jedoch unerwarteten Abständen, auf die Leinwand.
Programm 29.01.2012 – 19 Uhr 30
Some like it black oder bis zur systematischen Verzerrung des weiblichen Archetyps und zurück.
Dušan Makavejev – gebürtiger Belgrader, frühreifer Cinephil (erste Projektions-Ekstasen mit sieben), studierter Psychologe und Theatermann – war von seinen Amateurfilmen an ein Skandalon des SFRJ-Kinos: oft ausufernde Schlachten mit Zensoren gehörten zu seinem künstlerischen Alltag. Wie die meisten Großen seiner Generation erlangte auch er bereits durch seine Kurzfilme eine gewisse Berühmtheit, durch seine Langfilme war er nicht mehr zu stoppen.
-PECAT (The Seal) | 1955 | 17 Min. |
-SPOMENICIMA NE TREBA VEROVATI (Don’t believe in Monuments)| 1958 |5 Min. |
Živojin Žika Pavlovic – Regisseur, Drehbuchautor und Schriftsteller, Studium der dekorativen Malerei an der Akademie für angewandte Kunst in Belgrad und noch so einiges. Schonungsloser Analytiker existentieller Elenden, für den Sex, im Gegensatz zu Dušan Makavejev, nicht dionysisch glückliche Beziehung, sondern obsessive zerstörerische Kraft darstellte. Als Meister der Ambientierung und der langen Einstellungen, neben Makavejev einer bekanntesten Ex-Yu Regisseure. Ab Ende der 60-er einer der führenden europäischen Filmautoren.
-TRIPTIH O MATERIJI I SMRTI (Triptych about Substance and Death) | 1960 | 8 Min. |
Sava Trifkovic – war der Inbegriff des Amateur-Filmclubs. Ein arbeitsloser Architekt, der nie wirklich eine Filmkarriere verfolgte, blieb aber ein geschätztes Mitglied der Belgrader Filmclubs. Der Film, den wir zeigen, kombiniert morbiden Pessimismus launischer Bilder mit frühen optischen Drucktechniken. Er erhielt den Hauptpreis beim renommierten Unica nationalen Wettbewerb der Amateurfilme. Leider war es Trifkovic nie gelungen, ein weiteres Projekt zu beenden.
-RUKE LJUBICASTIH DALJINA (Hands of Purple Distances) | 1962 | 10 Min.
Kurze Begriffserklärung für Wissenshungrige In allen Teilen des ehemaligen Jugoslawiens geht der Experimentalfilm fast unfehlbar auf die Tradition des sogenannten Amateurfilms zurück, dessen Geburtsstätte die zahlreichen Kino-Clubs (kino klub) in den Großstädten waren. Die Trennlinie zwischen Amateur- und Experimentalfilm ist somit unklar, nicht nur wegen der Subjektivität des Urteils, sondern auch, weil sich der ehemalige Begriff in seinem am weitesten akzeptierten Sinne auf die Produktionsbedingungen bezieht (Verfahren und Wirkungen einer bestimmten cineastischen Ausdrucksform). Darüber hinaus konnten sich die Begriffe wie Experimentalfilm und sein Synonym ‚Avantgardefilm‘ in den aktuellen oder ehemaligen Ländern des SFRJ nie wirklich durchsetzen. Die kroatische, oder genauer gesagt die Zagreber Schule versucht sich mit neuen theoretischen und praktischen Formen wie „antifilm“, während die Belgrader Schule mit dem noch lockereren Begriff „alternativni film“ ankämpft.
Vertonung durch:
Markus Steinkellner: Guitar, Electronics
Bernhard Höchtel: Synthesizer
Robert Pockfuß: Guitar
Leon Leder: Computer
Projiziert von: Paul Krimmer
Kuratiert von: Petra Popovic
Eintritt ist wie gewöhnlich frei + freiwillige Spenden für die Musiker und Organisierenden werden sehr gerne angenommen!