Alexandra Saviors honigsüße, aber dennoch rauchige und geheimnisvolle Stimme verspricht uns in die Tiefen von Welten zu ziehen, die von bittersüßer Dunkelheit durchtränkt sind. Diese Dunkelheit und eine gewisse charmante Traurigkeit ziehen sich durch ihre ersten beiden Studioalben »Belladonna of Sadness« (2017) und »The Archer« (2020). Das erste Album ist fast als Horrorkonzept inszeniert, manche Songs geziert durch Schreie, andere durch eine delikat spöttische Stimme. Das zweite scheint im Vergleich zarter und ehrlicher, jedoch stellenweise noch immer exzellent im Heraufbeschwören von bedrohlichen Momenten. Ihr dritter Longplayer »Beneath the Lilypad« schließt an diese zarte Ehrlichkeit an, lässt aber die Dunkelheit hinter sich und wendet sich einer sanften Erzählweise zu, wobei der Horror des ersten Albums nur noch mikroskopisch zu finden ist. Produziert wurde die LP von Savior selbst und Drew Erickson, der auch mit Künstler*innen wie Lana Del Rey, Father John Misty oder Angel Olsen zusammenarbeitete. Savior und Erickson bedienen sich bei »Beneath the Lilypad« einer großen Bandbreite an Instrumenten, von Gitarren über Streicher bis zu Blasinstrumenten, die dem Album eine spannende Mischung an Sounds verleihen und eine sanfte, aber klanglich satte Atmosphäre erzeugen. Trotz dieser Fülle an Instrumenten liegt der Fokus aber stets auf Saviors Stimme, die als leitende Kraft von »Beneath the Lilypad« fungiert.
Manifest des eigenen Schaffens
Savior eröffnet ihr Album mit der ersten Single »Unforgivable«, die sich im weiteren Verlauf des Releases eigentlich als Außenseiter entpuppt, da sie sich atmosphärisch wesentlich vom Rest der Stücke unterscheidet. Die heitere Stimmung des Liedes ist irreführend und bereits nach einem Blick auf die Lyrics wird klar, dass subtile und dann auch nicht mehr ganz so subtile Rachegedanken ganz weit von Heiterkeit entfernt sind: »And when I get the chance, I’ll muster up some recklessness / And when I stick up for myself, I’ll use the knife that you once held«. Das Lied thematisiert Saviors Erfahrungen in der Musikindustrie und die Ungerechtigkeiten, die es ihr dabei unmöglich gemacht haben, ihre Musik zu 100 Prozent nach ihren eigenen Vorstellungen zu konzipieren. Saviors Platz in der Musikindustrie war stets instabil, beispielsweise durch konstante Label-Wechsel von Columbia, über 30th Century bis zu RCA, dem aktuellen Label. »Beneath the Lilypad« ist laut eigenen Angaben der Versuch, Kontrolle über die eigene kreative Vision zu übernehmen und sich selbst zu entfalten.
Schwebende Klangbilder
Die Platzierung von »Unforgivable« am Anfang des Albums dient in diesem Sinne als Disclaimer und Versprechen, dass die selbstproduzierte Musik von »Beneath the Lilypad« von einem selbstbestimmten und ehrlichen Inneren herrührt. Dieses Innere äußert sich im sachten, aber dennoch eindringlichen Gesang von Savior, ein Flüstern, das uns erlaubt, durch die verwundbare Welt der Songwriterin zu schreiten. Ihre Stimme und das Zusammenspiel der Instrumente kreieren eine traumhafte, federleichte Atmosphäre, oszillierend zwischen einem Märchen und einem Hauch an Erinnerungen. Unterschiedliche Einflüsse blenden immer wieder ein und aus, Spuren von Jazz oder Country, subtil, aber dennoch präzise gesetzt in Liedern wie »Venus« oder »Old Oregon«. Überreste einer dunklen Stimmung finden sich in den Songs »All of the Girls«, »Hark! und »Let Me Out«, die unheimliche und bedrohlich klingende Elemente enthalten, die sich schließlich jedoch wieder in einem verträumten Streicherarrangement verlaufen. Das Ende des Albums wird eingeleitet durch das titelgebende Lied »Beneath the Lilypad«, das interessanterweise ausschließlich instrumental ist und durch die Kürze eine kuriose Platzierung eines Interludes darstellt. Es folgt »The Harvest Is Thoughtless«, verziert durch Klänge von Vogelzwitschern, und den Schluss bildet schließlich »You Make It Easier«, mit dem durch die Blasinstrumente eine gewisse Fülle einhergeht.
Unterm Seerosenblatt
Konzeptuell fließen die Lieder vom Anfang bis zum Ende des Albums wunderbar ineinander. »Beneath the Lilypad« schafft es durchgehend, ein sachtes und graziles Milieu zu formen, in dem Verletzlichkeit und Aufrichtigkeit ihren Raum finden. Dieses konstante Milieu führt jedoch auch zu Repetition, die sich ebenfalls in der zwar harmonischen, aber stetig wiederholten Anordnung der Instrumente abzeichnet. An manchen Stellen scheint sich das Album in der träumerischen und schwerelosen Ausführung zu verlieren, etwas zu versteift in seinem stetigen Tempo. Unterm Strich aber ist »Beneath the Lilypad« ein bezauberndes Hörerlebnis, wenn man eingestimmt ist, von Alexandra Savior für eine Weile in die weltentrückte Sphäre unter der Seerose entführt zu werden.












