Ein Gespenst geht um. Es hört auf den Namen »KI« bzw. »AI« und hat nicht vor, die Musikwelt zu verschonen. Mit einem gewissen Bangen blicken wir in die Zukunft, etwa ob des Umstandes, dass immer mehr mithilfe von KI-Werkzeugen komponiert wird. Nachdenkliche Töne dazu waren auch auf der SuperBooth23 zu hören, die vom 11. bis 13. Mai 2023 in Berlin stattfand.
Sich im Spiel verlieren: UDO Super Gemini
Etwa von George Hearn, Mastermind hinter »Unidentified Dancing Objects« aus Bristol, UK. UDO bringen demnächst den Super Gemini auf den Markt, ein 14,5 Kilo schweres, über einen Meter langes Trumm aus Alu, Stahl (!) und mächtigen Innereien. Hearn meint zur Philosophie hinter seinen Synth, heutzutage wäre der Fokus Musikschaffender viel zu sehr auf das gerichtet, was »herauskommt«, auf ein »Ergebnis«. Dagegen sei der Super Gemini (mehr noch als der bereits erfolgreiche UDO Super 6) ein Instrument, das dazu verführt, sich im Spiel zu verlieren. Egal ob bzw. was letztlich »entsteht« – das Musizieren ist der Selbstzweck. Es geht um den unwiederbringlichen Moment. Später im Bungalowdorf auf diesen Gedanken angesprochen, legt Hearn seine Hand aufs Herz. »Ich habe es genau so gemeint – ich fühle es so!« Der UDO Super Gemini soll im Herbst ausgeliefert werden und dann 3.999,– Euro kosten, etwa bei Schneiders Laden oder alex4.de.
Unsere Kreativität, die letzte Bastion: SOMA Terra
Vlad Kreimer, der Mann hinter den wunderbaren SOMA (= Sound Machines) Synths, wie LYRA8, ENNER, ROAT oder PULSAR23, lud am Abschlusstag der SuperBooth zu einem Workshop ein. Eigentlich ein Podiumsgespräch. Vlad saß da, ermutigte dazu, Fragen zu stellen. Kein SOMA-Produkt im Raum, kein Banner (oder gar eine Beachflag) … nicht die geringste Form von Verkaufsförderung oder klassischem Marketing. Ein Teilnehmer: »Maschinen können viel exakter sein als Menschen. Wieso also suchen wir in unseren Klangmaschinen immer wieder so dringend den Zufall, das Chaos?« Kreimer antwortet: »In unseren Tagen, da der Einsatz von Künstlicher Intelligenz immer mehr um sich greift, sind Intentionalität, Kreativität vielleicht die letzten Bastionen menschlicher Integrität.« Auch zum Üben hat Vlad seinen eigenen Zustand: »Ich muss meine Finger trainieren. Aber nicht, um das Instrument zu beherrschen, sondern um mich zu beherrschen.«
Sein jüngstes Kind, der Synthesizer Terra leistet vor allem »Verbindungen zwischen dem ältesten und dem jüngsten Hirn«. Im alten Teil des Gehirns wachsen die Emotionen: »Sie sind nicht eure Feinde!«, so Vlad. »Ein Teil jeder meiner Maschinen ist ein Biest. Auch diese Biester sind eure Freunde.« Schließlich erinnerte er daran, dass wir »Patterns« in uns gespeichert haben. Musikalische Muster, die sich – bewusst und unbewusst – in uns aufdrängen. »Wirklich chaotisch zu musizieren, ist eine große Herausforderung!« Für SOMA Terra gibt es seit etwa einem Jahr eine Vorbestellungswarteliste. Weit vorne Gereihte dürfen sich auf Auslieferungen im Juni 2023 freuen. Terra, der intuitiv bespielbare Synthesizer auf der Basis von 32 Algorithmen, dürfte gegen Ende dieses Jahres breiter verfügbar sein. Der Preis wird dann wohl etwas über 800,– Euro liegen.
Die Zungen zum Schwingen ermutigen: KORG Berlin
Die relativ junge Gründung KORG Berlin arbeitet an einem neuen Zugang zur Klangerzeugung. »Tats«, CEO Tatsuya Takahasi, nennt sie »Akustische Synthese«. Dabei werden Stimmzungen zum Schwingen »ermutigt« (»we encourage them«), wieder andere physische Elemente werden dazu »animiert«, den Klang zu modellieren. All das natürlich in enorm kurzer Zeit und mithilfe von elektromagnetischen Kräften. Der auf der SuperBooth vorgestellte Prototyp ist noch ziemlich proto, die Stimmzungen sind zurzeit noch aus Metall, bei KORG Berlin kann man sich aber vorstellen, dass der marktreife Synth mit Stimmzungen »aus ganz anderen Materialien« bestückt sein wird. Für dieses Gerät gibt es noch keine Deadlines oder Preisvorstellungen. Es wäre aber typisch KORG, läge der Synth im leistbaren Bereich.
Ich staune und lasse mich von der Fröhlichkeit und Zuversicht der KORGianer anstecken. Dann verlasse ich die SuperBooth23, nach drei intensiven Tagen, durchaus beruhigt. Überlassen wir doch das Modifizieren musikalischer Patterns, also die Popmusik (Vlad Kreimer), ruhig den Algorithmen der KI. Stürzen wir uns begeistert ins allzu Menschliche: das Chaos. Schön, dass es Maschinen gibt, die uns dorthin bringen. Und uns auf diese Weise dabei helfen, zu uns selbst zurückzufinden.