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Tonkino Saalbau: Mit der Kurbelkamera Töne fischen gehen

Wofür der Staat noch kein Geld hergibt, muss so mancher Kauz auf eigenes Risiko Knochenarbeit leisten. Etwa das Tonkino Saalbau, das aparte Underground-Filmtheater in Wien. Lang soll es leben!

Es war einmal zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Vorarlberg ein Kino, das sich die Saalbau-Lichtspiele nannte. Ein riesiger Saal war das, um volle 100 Sitzplätze größer als das heutige Gartenbaukino in Wien. Ursprünglich von der Sparkasse der Stadt Feldkirch für Theatervorführungen erbaut, betrieb darin der konzessionierte Wanderkino-Pionier Johann Krimmer keine einfache, dafür aber lebhafte Kinokultur. Nach seinem Tod 1944 setzte die ‚Kinosöhne‘-Familientradition ein. Hans Krimmer übernahm Mitte der 1950er Jahre die Lichtspiele in Eigenbesitz und baute sie aus. Unter Otto Krimmer, seinem jüngsten Sohn, brannte hingegen die größte Filmspielstätte Vorarlbergs 1991 ab. An deren monumentaler Stelle heute: ein Tiefgaragenparkplatz.

Das Märchen geht weiter

Das Erbe einer langen, auf Umwegen ablaufenden Kinotradition, heißt nun Tonkino Saalbau und befindet sich nicht mehr in Vorarlberg, sondern in der Flachgasse, Wien 15. Wer sich dorthin un- oder absichtlich verirrt, wird in Neugierde durch unaufdringliche Entschlossenheit übermannt, ehe man umdreht. Im Hinterhof des Hauses Nr. 25 brennt ein warmes, diffuses Licht. Darin befindet sich ein kleines, gemütliches Kino mit ca. 50 Sitzplätzen, dessen mit Vorliebe für Details eingerichtete Vorführkammer ferner ein geselliges Filmstudio birgt. Es sind nur gelegentlich viele Leute da, aber wenn das Haus voll ist, steht ein Programm auf dem Spielplan, das weit über das übliche Allerlei des Fastfood-Kinos, und auch über jenes eines weniger rasenden Arthouse-Repertoires hinausreicht.

‚Spektakel‘ statt bloße Vorführung

Bruce McClures Projektionsperformance ließ das Tonkino Saalbau im Oktober 2011 in jenem Licht erscheinen, wozu dieser unabhängige Off-Space eigentlich bestimmt ist: das gelebte Kino. Kurzerhand resümiert, ein Kino für unabhängige Filmemacher, die ihr Werk einem kleinen Publikum vorführen. Das Spektakel, das Momentum, gehört dabei zur Quintessenz des eingeschlagenen Weges. McClures kraftvolles Kunstwerk, minimalistisch und profund zugleich, wollte sich weder anfassen noch schubladisieren lassen. War es ein Film oder womöglich ein Konzert in einem selbst gebastelten Kino? War es ein Zurück zu den Ursprüngen, oder eine avantgardistische Verschmelzung von Bild und Ton? Lustig auch der unleugbare Transfer, welcher an diesem Ort verwischt ist: wen kümmert noch jene Demarkationslinie eines öffentlichen Filmtheaters zu einem Home Cinema, wenn wir diesen Augenblick in geladener szenischer Katharsis erleben können.

Kino und Kicken – eine (Wieder-)Geburt!

Zurück zum scheinbar greifbaren Thema Geld »als dem normativen Faktor des Umsetzbaren in einer Zeit virtueller Transpositionen«, so Paul Krimmer, der anfangs noch keine Vorstellung davon hatte, dass aus seinem Atelier jemals dieses Kino werden würde. Er wollte bloß Filme machen, doch aus diesem bloßen Bedürfnis entstand etwas Größeres: Projektionen unter Freunden fanden bereits 2007 statt, doch zum offiziellen Auftakt dieser anfangs amateurhaften Spielstätte zählt die Fußball-EM 2008. Man saß auf Autosesseln, die Leinwand bestand aus einem überdimensionalen Bilderrahmen, Großmutters Erbschaft wurde zur Gänze in die Elektrik investiert, während der Rest der Entstehungsgeschichte auf guten Willen und einem Haufen mühevoller Arbeit zurückgeht.

Es sei wichtig, »etwas hinter, nicht vor der Leinwand zu machen, und daraufhin diese Welten aufeinander prallen zu lassen«, erklärt Paul Krimmer seine Kinophilosophie. So mutiert das Tonkino während frei improvisierter Live-Vertonungen tatsächlich zu einem magischen Ort der Projektion und Produktion zugleich. Keinerlei kompositorische Vorbereitungen trifft Markus Steinkellner mit seinen Musikerkollegen, wenn sie die Filme zum ersten Mal sehen und simultan den Ton dazu dichten. Der Ertrag aus den Kinoeinlässen geht stets an die anwesenden Künstler und Filmemacher, für die restlichen abendfüllenden Filmrecherchen aus der Kinogeschichte wird kein Eintritt verlangt. Eine Bildungsarbeit.

Bezogen auf Subventionsentsagung und Filmverwertung ist das also etwas anders bedingt als beim Anarcho-Cowboy des deutschen Films, Klaus Lemke, der bei der Herstellung seiner Filme freiwillig auf staatliche Förderungen verzichtet. »Was ich machen wollte«, so Krimmer, »wurde gemacht; warum hätte ich jemand anderen um Förderung oder Erlaubnis fragen sollen? Es geht nicht um Wertung, sondern anstelle dessen darum, Material zu schaffen, das man tatsächlich fühlen und erleben kann, das bringt uns Menschen zusammen.«

2012 wird das Tonkino Saalbau die Wiener Festwochen beherbergen und im Rahmen von Into the City eingeladener DIY-Labore aus Europa so einiges zu bieten wissen.

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Text
Petra Popovic

Veröffentlichung
05.01.2012

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