Als könnte ich eine Stecknadel fallen hören. Das brut zeichnet sich durch eine hundsgemeine Akustik aus: Einer, in der sich das Publikum seiner eigenen Präsenz unangenehm bewusst wird. Es klingt als wäre ein Mikrofon auf die Bühne, eins auf das Publikum gerichtet – bald wagt keiner mehr zu flüstern und wir alle versuchen möglichst geräuschlos Luft zu holen. Jedes Wort, jeder Seufzer, ja das Klicken eines Feuerzeugs wirkt zu laut.
Als ein Freund es wagt während eines Stücks von Xiu Xiu etwas Witziges zu sagen, setze ich mich auf den Boden und versuche leise in meine Hand zu kichern – aus Angst das Lied könnte abrupt enden und mein Lachen durch die Halle schallen. Ich will James Stewart nicht zum Weinen bringen. Xiu Xiu ist ohnehin emotional intense.
Die lauten Stücke von Xiu Xiu sind die Zugänglicheren. Die zur Schau gestellte Intimität ist für mich in den leisen Momenten unerträglich. Sie verlangt nach einem Raum, um sich darin zu verlieren, keinen, in dem du deinen Nachbarn atmen hörst. Nichtsdestotrotz fangen mich Xiu Xiu an diesem Abend immer wieder ein – mit ihrer Freude am Spielen.
Mit Noise-Rock, der mich alles rundherum vergessen lässt. Wie drei Menschen so viel und so kunstvoll Lärm erzeugen können! Drums, Percussion, Vibraphon, Gitarre, Keyboard, Omnichord, Xylophon, Flöte, Samples … die Mittel dazu scheinen unbegrenzt. Lange kann ich von Drummer Ches Smith die Augen nicht wenden: Was der alles zum Draufhauen hat! Mit welcher Begeisterung! Und Präzision! Mir würde es allein schon schwer fallen mir die Reihenfolge der Instrumente zu merken, die im Laufe eines einzigen Xiu-Xiu-Stücks zum Einsatz kommen. Vielleicht sind auch der Merkfähigkeit von James, Caralee und Ches Grenzen gesetzt – vielleicht muss deshalb das Konzert ohne Zugabe enden. Vielleicht sind sie aber auch einfach nur emotional erschöpft.
Xiu Xiu, Chris Garneau – Fr. 24.10.08 – brut im Künstlerhaus, Wien
»Pssssst! Xiu Xiu!«
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