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Pussy Riot
6. September 2022, 20:30 - 23:30
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Die regimekritische Polit-Punk-Gruppe aus Moskau erlangte 2012 weltweite Bekanntheit mit ihrem »Punk-Gebet« in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale. Der Aktion folgte ein international stark kritisierter Gerichtsprozess, an dessen Ende drei der beteiligten Frauen zu jeweils zwei Jahren im Arbeitslager verurteilt wurden. Das Projekt »Riot Days« des Kollektivs basiert auf dem gleichnamigen Buch der Aktivistin Maria Alyokhina, in dem sie ihre persönliche Geschichte als Performerin bei Pussy Riot erzählt. Die Aufarbeitung dieser Erfahrung, das Leben in einem russischen Lager, der Kampf gegen Repression wird in diesem Stück verarbeitet und ist ein Cross-Over aus Konzert, Kundgebung und Theater. Elektrische Sounds, Sprechgesang und Live-Musik erzählen eine Geschichte von Widerstand, Repression und Revolution. (Pressetext)
Seit ihrer spektakulären Flucht aus Russland tourt Maria Aljochina mit Pussy Riot durch Europa, am Sonntag gastierte die Band in Tirol. Die Aktivistin spricht im Interview über ihre Flucht, Putins Repressionen und die Reaktion des Westens auf Russlands Überfall auf die Ukraine. Die aktuelle Europatour der Kreml-kritischen Punkband steht im Zeichen der Solidarität mit der Ukraine, Sonntagabend fand in der Alten Gerberei in St. Johann in Tirol der einzige Österreich-Auftritt statt.
Mehr erfahren über die Lebensrealität von Jugendlichen, unsichtbare Abenteuer, marokkanische und elektronische Klänge: Dieses Festwochen-Wochenende bringt drei Premieren und ein Tribute für den 2021 überraschend verstorbenen Musiker Peter Rehberg.
Der finale Schmerzensschrei gilt den Opfern von Butscha, Sirenen heulen, Kriegsbilder flimmern über den Videoscreen. Maria, besser bekannt als Mascha Aljochina, trägt ein T-Shirt in den Farben der ukrainischen Flagge. Als die Mitglieder von Pussy Riot am frühen Sonntagabend in einem alten Rotkreuz-Bus mit tschechischem Kennzeichen vor dem Kulturzentrum Alte Gerberei vorfuhren, wurden sie bereits von einer Menge Fotografen erwartet. So viel Medienrummel gibt es in der Gegend um St. Johann sonst nur, wenn im nahen Kitzbühel oder beim berühmten Stanglwirt die Prominenz antanzt. Die Region ist auch bei russischen Investoren beliebt, die hier gern Hotels und Häuser kaufen.
Die Aktivistinnen wissen die Aufmerksamkeit, die ihnen seit Aljochinas Flucht aus Russland vor knapp einer Woche zuteilwird, zu nutzen: „Macht Putin platt“, lautete die Devise ihres Auftritts. Aljochina, Diana Burkot, Olga Borissowa und Anton Ponomarew traten in grellbunten Sturmhauben auf und ließen die Segnungen des Protestpunk auch in Form von Wasserduschen über das Publikum kommen. Mehr multimedial unterstützte Lecture-Performance (Visuals: Wassili Bogatow) als Konzert, folgte der Abend der Dramaturgie von Aljochinas Buch „Riot Days“ und damit auch der Geschichte der Band. Aljochina hat ihr gerade ein spektakuläres Kapitel hinzugefügt.
STANDARD: Vor zehn Jahren haben Sie mit Pussy Riot in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau gegen Putin protestiert und saßen danach zwei Jahre im Gefängnis. Die Repressionen gegen Oppositionelle wurden seither weiter verschärft. Wie haben Sie die letzten Jahre erlebt?
Maria Aljochina: Als Nadja (Tolokonnikowa, Anm.) und ich 2014 wieder auf freiem Fuß waren, haben wir anlässlich der Olympischen Winterspiele unsere Aktion „Putin Will Teach You to Love the Motherland“ in Sotschi realisiert. Wir wurden verprügelt, mit Tränengas attackiert, erneut mit Gefängnis bedroht. Kurz darauf, im März 2014, folgte die Annexion der Krim. In diesem Moment begann eine neue, noch härtere Welle der Repression. Mittlerweile haben wir in Russland eine Art Kriegszensur. Das Schockierendste waren für uns 2014 aber die lahmen Reaktionen des Westens. Der Preis dafür sind jetzt tausende unschuldige Leben in der Ukraine.
STANDARD: Sie werfen dem Westen Tatenlosigkeit vor. Fühlen sich Oppositionelle in Russland im Stich gelassen?
Aljochina: Ich wurde nach meiner Entlassung zu großen Konferenzen und Veranstaltungen eingeladen, überall hat man mir die Hand geschüttelt, es wurde viel gelächelt, aber es ist nichts passiert. Du sprichst darüber, was vorgeht, dass tausende Menschen inhaftiert sind, dass Menschen vergiftet werden, dass sie ermordet werden, und die Leute reagieren betroffen und sagen: „Wir sind zutiefst besorgt.“ Für diesen Ausdruck haben wir in Russland inzwischen sogar ein eigenes Meme. Aber: Deutschland hat zehn Jahre lang Waffen an Putin verkauft, diese Waffen werden jetzt im Krieg gegen die Ukraine verwendet. Der Westen kauft weiterhin russisches Öl und Gas. Die Einnahmen daraus werden dafür verwendet, den russischen Polizei- und Militärstaat aufrechtzuerhalten. Das Geschäft damit haben sich Putins Freunde untereinander aufgeteilt. Und für das Geld, das sie damit machen, kaufen sie hier bei euch Häuser.
STANDARD: Was müsste aus Ihrer Sicht passieren?
Aljochina: Putin muss vor ein Kriegsgericht gestellt werden. Und nicht nur er allein. Und: Friert die Vermögen ein, beschlagnahmt endlich die russischen Besitztümer! Sie stammen von Leuten, die vom Regime profitieren und damit genug Geld machen, um woanders leben zu können, während sie eine Propaganda unterstützen, in der es heißt, dass Kriegsgegner sterilisiert und in Konzentrationslager gebracht werden sollen.
STANDARD: Mit Ihrer Flucht haben Sie die russischen Sicherheitskräfte und den Geheimdienst düpiert. Eine Genugtuung?
Aljochina: Ja, natürlich. Denn es zeigt auch, wie dumm die Autoritäten sind.
STANDARD: Wie kamen Sie auf die Idee, sich als Essenslieferantin zu verkleiden, um zu entkommen?
Aljochina: Meine Freundin hat diese Verkleidung schon benutzt, während ich in Haft war. Sie wurde überwacht. Um überhaupt das Haus verlassen zu können, hat sie sich diese Klamotten im Internet bestellt. Über eine Art russisches Ebay, da bekommst du alles. Wir hatten für unsere Aktionen aber auch schon früher Verkleidungen benutzt, zum Beispiel die orangen Overalls der Gemeindearbeiter.
STANDARD: Ist der Protest mit den Mitteln der Kunst aktuell die einzige verbliebene Waffe gegen Putin?
Aljochina: Es gibt viele unterschiedliche Wege, und jede noch so kleine Geste ist wichtig. Aber die Leute haben zu Recht Angst. Wenn man diesen Krieg auch nur als Krieg benennt, drohen einem jahrelange Gefängnisstrafen. Und trotzdem gibt es immer noch Menschen, die dagegen aufstehen: Sascha Skotschilenko zum Beispiel, eine feministische Autorin und Musikerin, hat den Preisschildern in Supermärkten Zahlen über die Kriegstoten hinzugefügt. Sie ist jetzt in Haft. Diese Geschichten muss man erzählen, auch das ist ein Grund, warum ich unbedingt auf diese Tour gehen wollte. (Ivona Jelčić, Der Standard, 16.5.2022)
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