Crème brûlée-Flyer © Frank Jödicke
Crème brûlée-Flyer © Frank Jödicke

Das Jahr 2016 in Listen

Hier der Versuch der skug-Redaktion, das Jahr 2016 ästhetisch und politisch in Listen zu fassen.

Wie es sich für eine lebendige Redaktion gehört, konnten (und wollten) wir uns nicht auf ein einheitliches Konzept einigen. Mal sind es die typischen »Zehn Besten«, mal nur ungefähr zehn. Mal ist das gelistete so richtig gut, mal nur so halb, aber dennoch bemerkenswert. Mal ist es formidabel nerdig (Bands deren YouTube-Videos es auf legendäre 27 Klicks bringen), mal Mainstream (Bowie, Stones, Cohen). Natürlich geht es um viel um Musik, Konzerte, Alben, aber auch Bücher, alternative Informationsquellen und da wir alle das Künstlerische nicht vom Politischen zu trennen bereit sind, beschenken wir unsere LeserInnen zur Jahresendzeit mit Kommentaren (wie gewohnt also: wir hören und bedenken). Viel Spaß beim Schmökern!

Walter Pontis’ Baker’s Dozen (Alben 2016)
Das Editions-Mego-Label legte ich dem Donaufestival Krems bereits für das Jahr 2014 ans Herz; noch immer und auch heuer überzeugt es dank durchwegs exzellenter avantgardistischer Alben, Oren Ambarchi und Second Woman stehen hier stellvertretend. Im formidablen Line-up des aktuellen Donaufestivals scheinen übrigens Gazelle Twin (glücklicherweise wieder) und Moor Mother sowie die heuer ebenfalls mit hervorragenden Alben vertretenen Elysia Crampton und Klara Lewis auf. Weitere Album-Highlights: eindringlicher Kehlkopfgesang von Tanya Tagaq (»Retribution«); couragierter aktueller Indie-Rock von Mitski (»Puberty 2« ist bereits ihr viertes Album) sowie von Porridge Radio (»Rice, Pasta and Other Fillers« wird wohl erst im Laufe des kommenden Jahres auf Touren kommen). Anika (die bereits 2014 in unserer »jukebox« vertreten war) ist diesmal im feinen Debüt von Exploded View mit dabei.

jrb1.jpg01 Gazelle Twin: »Out Of Body« (Anti-Ghost Moon Ray)
02 Jenny Hval: »Blood Bitch« (Sacred Bones Records)
03 Oren Ambarchi: »Hubris« (Editions Mego)
04 Anohni: »Hopelessness« (Rough Trade)
05 Romare: »Love Songs Pt Two« (Ninja Tune)
06 Porridge Radio: »Rice, Pasta and Other Fillers« (Memorials of Distinction)
07 Second Woman: »s/t« (Spectrum Spools/Editions Mego)
08 Tanya Tagaq: »Retribution« (Six Shooter Records/Alive)
09 Mitski: »Puberty 2« (Dead Oceans)
10 Exploded View: »Exploded View« (Sacred Bones Records)
11 The Rolling Stones: »Blue & Lonesome« (Polydor/Universal)
12 Leonard Cohen: »You Want It Darker« (Columbia) »more
13 Nick Cave: »Skeleton Tree« (Bad Seed Ltd)

Pontis’ Eleven Songs (Tracks 2016)
jrb1.jpg01 Sex Stains: »Land of La LA« (Don Giovanni Records)
02 Les Filles de Illighadad: »Tende« (Sahelsounds)
03 Moor Mother: »Deadbeat Protest« (Don Giovanni Records)
04 Ryuji Takeuchi: »Final Call« (INNER012)
05 Porridge Radio: »Danish Pastry Lyrics« (Memorials of Distinction)
06 Jenny Hval: »Female Vampire« (Sacred Bones Records)
07 Tough Tits: »Hairless« (Frux Tapes/Drunken Sail Rec.)
08 Karen Gwyer: »Prophase Metaphase Anaphase Telophase« (Don’t Be Afraid)
09 Lumber Jane: »Cuntroaches« (Demo Bandcamp)
10 The Bastards of Fate: »Freemasons« (HHBTM Records)
11 Good Throb: »Scum/The Queen Sucks Nazi Cock« (La Vida Es Un Mus Discos)

 

Mio Michaela Obernosterers Top 10 Alben 2016
In alphabetischer Reihenfolge: das Gutmenschen-Album des Jahres, das Trauriger-Smiley-Album des Jahres, das Techno-is-my-secret-boyfriend-Album des Jahres, das I-knew-them-before-they-were-famous-Album des Jahres, das BFF-Album des Jahres, das Ich-habe-ein-Konzert-veranstaltet!!!-Album des Jahres, das andere BFF-Album des Jahres, das Finders-keepers-Album des Jahres, das Synthpop-is-still-my-boyfriend-Album des Jahres und das … Xiu-Xiu-Album des Jahres. Doch nicht so übel, 2016.

jrb3.jpg01 Anohni: »Hopelessness«
02 David Bowie: »Blackstar«
03 Dust: »Agony Planet«
04 Fear of Men: »Fall Forever«
05 Iv/An: »Self and Selfish«
06 Koban: »Abject Obsessions«
07 Mitra Mitra: »Mitra Mitra«
08 Troller: »Graphic«
09 Xeno & Oaklander: »Topiary«
10 Xiu Xiu: »Plays The Music of Twin Peaks«

Mios Top 10 Tracks 2016
01 Angel Olsen: »Shut Up Kiss Me«
02 Anohni: »Drone Bomb Me«
03 Braids: »Companion«
04 Cancer: »Die One More Time«
05 David Bowie: »Blackstar«
06 Dust: »She Woke Up In Water«
jrb1.jpg07 Mitra Mitra: »Blender«
08 MSTRKRFT: »Go On Without Me«
09 Radiohead: »Burn The Witch«
10 Stonith: »Mort Vivant«

Mios Top 10 Concerts 2016

19.04. Mueran Humanos + Gran, rhiz
20.04. Drab Majesty + Charnier, AU
03.05. Xeno & Oaklander, rhiz
15.06. Moderat + Lone, Arena Open Air
05.07. Black Heart Rebellion + Jodok, Bach
27.07. Peaches + Keith Hennessy, MQ
28.09. Fear of Men + Fesch, rhiz
03.10. Soap&Skin, Konzerthaus
12.10. Koban + Levie, AU
26.10. The Cure + The Twilight Sad, Marx Halle »more

 

Five Spuh-Micha-Tracks played at Salon skug, 20. 12. 2016 (non-chronological report)
01 Dagobert: »Für immer blau«radian.jpg
02 Above and below (OST): »Strip down«
03 Andromeda Mega Express Orchestra: »W. A. Mozart vs Random Generator«
04 TBA21 Live, Lucious and Loud: »Art dump«
05 Radian: »rusty machines, dusty carpets«

 

Crème brûlée reacted joyfully to this with
01 The Milk Carton Kids: »The Ash and Clay«
02 Keine Zähne im Maul aber La Paloma pfeifen: »Leb so, dass es alle wissen wollen«
03 Bon Iver: »Holocene«
04 La Düsseldorf: »Menschen 1«
05 Willie Nelson: »The Scientist«

 

Best of 2016 Auswahl von G. Bus Schweiger

Edi Nulz: »An der vulgären Kante«
jrb1.jpgInstrumentale Juwelen zwischen allen Stühlen, sogar Joe Baiza applaudiert.

Ebbot Lundberg & The Indigo Children: »For The Ages To Come«
Der wilde Wikinger macht einen Abstecher in Richtung psychedelischen Pop und schafft mit seiner Bubenbande ein Meisterwerk.

Brennholz. Rocks: »Tuu Tuu – Famose Familienlieder«
Große Lieder für kleine und große Menschen von Frenk Lebel. Wer will kann auch nach Hüsker Dü-Akkorden suchen.

Pretenders: »Alone«
Die Königin der Rotzballade Chrissie Hynde erobert mit Hilfe von Dan Auerbach nach langer Pause locker den Thron zurück.

Lambchop: »Flotus«
Kurt Wagner erfindet sich neu und bleibt doch immer bei sich.

Eloui: »Tangles And Loose Ends«
lc.jpgUnabhängiger, freier und eigensinniger wurde Pop selten gedacht.

Leonard Cohen: »You Want It Darker«
Was für Abschied. Wir bedanken und verneigen uns.

A Life, A Song, A Cigarette: »All That Glitters Is Not Gold«
Nach langer Bandgeschichte gelingt ein unglaublich fein differenzierter und herzhafter Songzyklus. Eine der Ûberraschungen des Jahres.

Michael Kiwanuka: »Love Hate«
Politik, Liebe und weitere Irrungen. Kiwanukas Soul ist zum Weinen schön.

Mary Halvorsen & Noël Akchote: »s/t«
Zwei Gitarren, zwei Wunderkinder, eine Impro-Platte des Jahres

 

Die zehn »Besten« von Frank Jödicke
Vorweg, das sind nicht die zehn Besten. Deswegen landen diese zufällig ausgesuchten Platten alle im Niemandsland zwischen Platz 5 und 6.

5./6. Blood Orange: »Freetown Sound« (Domino Records)
article_8472_vm_150.jpgOkay fährt. Sorgfältige Sounds. Gute und richtige Wut in feiner Musik.

5./6. Familienbande: »Hallo Freunde« (März Records)
Liebe Familie, ein bisschen weniger Anbiederung wäre fein. Aber die Sounds sind ziemlich gut und auch die Message: »Wir nehmen jetzt weniger Drogen – wegen unserer Kinder.« G’scheit. Keep on jammin’ und »No sleep to Mödling!«

5./6. Van Morrison: »Keep Me Singing« (Caroline/Universal)
Musik für Menschen im »Herbst ihres Lebens«. Eine Platte wie ein guter Freund – der allerdings immer das Gleiche sagt. »more

5./6.
MNDSGN: »Body Wash« (Stones Throw Records)
Ringgo Ancheta durchlebt einen Reifungsprozess, der auch ein Konventionalisierungsprozess ist – dennoch.

5./6. Quantic presenta Flowering Inferno: »1000 Watts« (Tru Thought)
Multiinstrumentalist und Diskjockey Will Holland produziert den für alle Naschmarkt-DJs auf ewig unerreichbaren Sound und bringt Tanzflächen zum Schmelzen.

5./6. Eisler Explosion & Royal Symphonic Wind Orchestra Vooruit: »Das Kapital« (Label Bleu)
Fulminante Skizze für einen verbesserten Ûberbau – zum Anhören.

loa1.jpg5./6. Saul Williams: »MartyrLoserKing« (Fader Label)
Fantastisches Album. Eine helle Flamme in sich verdunkelnden Zeiten. »more

5./6. Slow Steve: »Adventures« (Morr Music)
Atmosphärisch enorm dichtes Geklimper. Herrliche Popwolke. Irgendwie erinnert es zuweilen an James Milne, aber vielleicht nur, weil, der nächste Platz geht an:

5./6. Lawrence Arabia: »Absolute Truth« (Flying Nun Records)
Die Wahrheit in ihrer unumstößlichen Ganzheit trat uns noch nie so beknackt entgegen. Entzückender Bumm-Bumm-Balla-Balla-Pop vom anderen Ende der Welt.

5./6. Prince: »The Loring Park Sessions«
Ist das jetzt eine Veröffentlichung? Keine Ahnung. Es kann Z. B. auf youtube.com angehört werden. Wer Creed Taylor Inc. schätzt, wird hier beglückt, aber auch Fachfremden werden die Nackenhaare wackeln. Der 19-jährige Prince brachte einfach einen unglaublichen Druck in die Atmosphäre. Manche müssen nicht lang üben. »more

5./6. Iggy Pop: »Post Pop Depression« (Caroline/Universal)
iggy.jpgZunächst dürfen wir nach diesem Jahr froh sein, dass der Punk und Versicherungsvertreter (AXA) Iggy Pop noch lebt. Das Album Post Punk Depression gemeinsam mit Josh Homme ist so mittelprächtig. »more

5./6. Zu loben ist die Arbeit von Soul Jazz Records
»more
Die Punk-Sampler »Chaos in the City of Angels and Devils« und »Les Punks: The French Connection« sind eine Fundgrube. Darüber sollte mal jemand etwas schreiben.

5./6. Meredith Monk: »On Behalf Of Nature« (ECM/Lotus Records)

Wenig überraschend großartig. Rezension folgt im neuen Jahr.

 

Franks Top 10 der alternativen Informationsquellen im Internet 2016
Vorbemerkung: Es gibt übrigens keine »Lügenpresse«. Alle Informationen lassen sich auch über die etablierten Medien beziehen. Dort sind sie nur trickreich kontextualisiert, um die BesitzerInnen der Medienprodukte nicht zu erzürnen und was dort als »ausgewogen« etikettiert wird, verdient meist die Bezeichnung »hörig«. Der hier vorgestellte Underground schafft die Trennung zu Abwegigem und Agitatorischem nicht immer schlüssig. Deswegen: sapere aude!

1. »Telepolis«
black_burst_sound_generator.jpgDie älteste deutschsprachige Internetzeitung. Betrieb weniger und aufrichtiger SchreiberInnen. Florian Rötzer muss wohl ununterbrochen arbeiten.
https://www.heise.de/tp/

2. »Counterpunch«
Wenn die neoliberalen Einserkastl-Agitatoren des »Standards »linke Verschwörungstheorien« wittern, dann lohnt sich eine kritische Prüfung.
http://www.counterpunch.org/

3. »Mother Jones«
Die Zeitung, die den aufgeblasenen Selbstdarsteller Michael Moore (der ja doch sein Herz am richtigen Fleck hat) rausgeschmissen hat, ist eine Instanz.
http://www.motherjones.com/

4. »Nachdenkseiten«
Dämlicher Name und in letzter Zeit Hang zu haltloser Agitation. Dennoch Stelldichein ausgesprochen wohl informierter Kreise wenn es um Ökonomie geht.
http://www.nachdenkseiten.de/

5. »The Young Turks«
Ebenso dämlicher Name. Im Kampf gegen die großen Medienhäuser selbst schon eines geworden, ist es ein Einstiegsloch in die Matrix linker US-Radiostationen, Blogs etc. die teils sehr gute Arbeit machen.
https://tytnetwork.com/

6. »Hinter den Schlagzeilen«
Okay, die Namensgebungen. Der »Medienpartner« von skug.at verlinkt in aufopferungsvoller Kleinarbeit zu Bemerkenswertem. Gute Originalbeiträge zum Beispiel von Friedensforschungsinstituten.
hinter-den-schlagzeilen.de

7. »Titanic«
Wie es sich für Satiriker gehört, schaffen es die Scherzkekse von der Titanic innerhalb ihres Gerölls aus Zoten und Klamauk, mutig jene Einschätzungen zu geben, zu der in der deutschsprachigen Presse wohl niemand mehr in der Lage ist.
http://www.titanic-magazin.de/

8. »Malmoe«
Gibt’s auch gedruckt.
www.malmoe.org

9. Das ist schon viel zu viel, denn permanentes Lesen ist der sichere Weg zur Verblödung. Außerdem, wer das hier liest ist schon auf der richtigen Seite …

 

Hans Grausgrubers Soul Train 2016 (keine Rangordnung!)

Various Artists: »Soul Togetherness 2016« (Expansion)
jrb1.jpg»15 Modern Soul Gems«, so der Untertitel, die keine Wünsche offen lassen und die große Vielfalt aktuellen Souls belegen.

The Frightnrs: »Nothing More to Say« (Daptone/Groove Attack)
Besser als diese aktuelle LP war das Beste des klassischen Rock Steady auch damals, Ende der Sechziger, nicht.

Aaron Neville: »Apache« (Kobalt Label Services/Tell It Records)
Das Meiste, das Aaron Neville die letzten zwei Jahrzehnte zu Gehör brachte, kam leicht, launig, um nicht zu sagen lasch daher. Nicht so dieses Album mit einigen packenden Hitsongs.

Martha High: »Singing for the Good Times« (Blind Faith)
Funkiges Soulalbum einer Sängerin, die seit den Sechzigern aktiv ist – u. a. brillierte sie auch als Backvocals-Sängerin bei James Brown.

Nicole Willis & The Soul Investigators: »Happiness in Every Style« (Groove Attack Timmion)
Ein Juwel der aktuellen Euro-Soul-Szene mit ein paar Dashes Pop, Jazz oder Funk da und dort; wie immer mit dabei: Ehemann Jimi Tenor.

Ann Taylor: »Love Is A Hurting Thing« (Luv nʼ Haight)
70s-Soul-Reissue einer extravaganten Sängerin, die den Kopf nie ganz über Wasser kriegte und dennoch ein gutes Dutzend unverkennbarer, jazz-inspirierter Songs veröffentlichte, mit dezenten maghrebinischen Anklängen u. a. auf der grandiosen Maxi-Version von »Love Is A Hurtinʼ Thing«.

The Emotions: »Blessed – The Anthology 1969-1985« (bbr/Hoanzl)
CBS, Stax, Volt … waren ihre Labels, Isaac Hayes, David Porter oder Maurice Gibb ihre Produzenten. Sie hatten alles: Groove, Funk, Disco-Glitter u. v. m. – eine perfekte Compilation auf zwei CDs.
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Betty Harris: »The Lost Queen of New Orleans Soul« (Soul Jazz/Trost)
Einzelne Songs fanden immer wieder auf Compilations, hier ist ihr gesamtes Å’uvre beim New Orleanser Sansu-Label zu hören, begleitet von den besten Session-Musikern des Big Easy. »more

Tee Mac: »Night Illusion« (Soul Jazz/Trost)
Auch diverse Songs dieses Albumklassikers wurden da und dort auf Rare-Groove-Compilations genommen. Hier nun das komplette Reissue dieses funky Nigerian Soul-Albums aus den späten Siebzigern mit Sängerin Majorie Barnes.

Sam Mangwana: »Galo Negro« (Guarded Music)
Ein Reissue des famosen 1998er-Albums, ergänzt um einige Songs aus anderen Aufnahmesessions. Hier Musik vom legendären kongolesischen Sänger, die sich v. a. an klassischen angolanischen Stilen orientiert.

 

Chris Hessles Top 10 Releases 2016
Aus meiner Sicht war 2016 musikalisch ein recht ereignisarmes Jahr. Eine Ausnahme bildete das Album von Africans With Mainframes, die mit »K.M.T.« sowohl auf der dramaturgischen Ebene als auch in Bezug auf Soundästhetik neue, ungewöhnliche Schritte wagten. Weiters ist auch endlich eine 6-Track-EP von DJ Nervoso erschienen, einem wichtigen Mentor der aktuellen Generation der Lissabonner Kuduro-AktivistInnen und zugleich dem bislang kompromisslosesten Interpreten in diesem Bereich. Der britische Produzent K Lone und der kalifornische Rapper Ill Chill bestätigten einmal mehr die Erfahrung, dass sich verregnete UK-Beats und Westküsten-Wüstenrap ausgezeichnet vertragen. Auch Grime gab 2016 ein starkes Lebenszeichen von sich, etwa mit dem Minimalismus von Terror Danjah und Jamakabi, während Swindle und Konsorten mehr die opulenten Seiten des Genres betonten. Demdike Stare lieferten ein dunkles Meisterstück voller Bass und slow-motion Amen-Breaks ab. Trotz ähnlicher Referenzpunkte bildet Sun People einen guten Kontrast dazu. Seine Definition von soulful Footwork/Jungle propagiert schamlose Ausgelassenheit. Das Berliner Version-Label überraschte mit zwei Remixes des Dubstep-Urahns Benny Ill und Seekers International entwickelten konsequent ihre Variante von Cut-up-Dub weiter. MusikerInnen finden sich in meiner Liste leider kaum, eine Ausnahme bildet ein Remix von Flava D auf Butterz. Die dystopischen Entwürfe von black burst sound generator beim musikprotokoll 2016 in Graz hätten es zwar weit vorne in die Wertung geschafft, blieben aber bislang leider unveröffentlicht.
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1. Africans With Mainframes »K.M.T.« (Soul Jazz) »more
X. black burst sound generator »live @ musikprotokoll 2016« (unveröffentlicht)
2. DJ Nervoso »DJ Nervoso« (Príncipe Discos)
3. K Lone feat. Ill Chill »Rare Jewels EP« (Wych)
4. Terror Danjah feat. Jamakabi ‎»Juicy Patty« (Keysound)
5. Demdike Stare »Wonderland« (Modern Love)
6. Sun People »Paradise Life« (Goodstreet)
7. Benny Ill, Orson & Hops »The Benny Ill Remixes« (Version)
8. Swindle »Grime & Funk EP« (Butterz)
9. Seekersinternational »LoversDedicationStation« (Bokeh Versions)

 

Top 12 Langrille Stefan Koroschetz
iver.jpg01 Bon Iver: »22, A Million« (Jagjaguwar)
02 Anohni: »Hopelessness« (Rough Trade/beggars Group)
03 David Bowie: »Blackstar« (Columbia/Sony)
04 Leonard Cohen: »You Want It Darker« (Columbia/Sony)
05 James Blake: »The Colour In Anything« (Polydor/Universal)
06 Lambchop: »Flotus« (Merge Records)
07 zur wachauerin: »ka gmahde wiesn« (non food factory)
08 La Düsseldorf: »Viva« (Wiederveröffentlichung/Warner)
09 [goubran]: »Schiffe aus Schnee« (konkord)
10 Westblock: » Kennst du den Weg nach Heiligenstadt?« (Single/Early7/05)
11 Angel Olsen: »My Woman« (Jagjaguwar)
12 Die Stille (ohne Label)

 

Alfred Pranzl macht auch ein Dutzend voll
2016 war ein miserables Jahr. Politisch zeigt sich, dass die Tendenz leider Richtung Autokratien geht, und nicht pro Regulierung der neoliberalen Ursachen dafür. Sigi Maron war einer, der diese menschenfeindliche Entwicklung in seinen Liedern thematisierte und zu den vielen Musikern gehört, die uns Halt gaben und leider heuer verstarben. Maron hatte seine Karriere schon beendet, während David Bowie und Leonard Cohen sich mit ihren Abschiedsalben ihre eigenen Reqieme schrieben. Dies ging mächtig unter die Haut, doch mag ich meine Auswahl vitalen Artists oder Ensembles widmen, wo es mir bis auf das Kollaborationswerk von Konono Nº1 und Beyoncé aus Zeitgründen nicht möglich war, Reviews zu schreiben. Auch die spannend aufbereitete Autobiografie der Slits-Gitarristin Viv Albertine hätte eine Rezension verdient.

Kuba Kapsa Ensemble: »Vantdraught 4« (Denovali Records)jrb1.jpg
Der polnische Komponist/Pianist Kuba Kapsa lässt sein unkonventionell besetztes Quartett (Violine, Klarinette/Bassklarinette, Posaune, Klavier) in sechs Suiten opulent schwelgen. A- und polytonale Harmonien fordern den Hörer in den Ûbergängen. Erinnerungen an das Werk Michal Nymans passieren Revue.
Gelungenes Cover-Artwork: »The Reluctant Conscript« von Kahn& Selesnick.

Blood Orange »Freetown Sound« (Domino Records/Good To Go)
Poesie und Politik sind vermengbar, und wie! Erhabene und teils deeply funky Black American Music. Dev Hynes bedient sich an diversen Stilen, lässt New Jack Swing nicht aus und wir hören illustre Gäste, wie etwa Nelly Furtado in der wundersamen Ballade »Hadron Collider«.

Saul Williams: »MartyrLoserKing« (Fader Label)
Wütende HipHop & Bass Music driven Sounds wider die Politik der Kapitalinteressen. Zündet besser als das zerfahrene The Popgroup-Album »Honeymoon On Mars«. »more

Beyoncé: »Lemonade« (Parkwood/Sony)
Beyonce___Lemonade__Official_Album_Cover_.pngDie gebürtige Texanerin zelebriert das Empowerment eines afroamerikanischen weiblichen Selbstbewusstseins, mit Feedback auf die machosexualisierte Rapwelt. Grandiose Würfe darauf: »Freedom« im Duett mit Kendrick Lamar, ein strahlender Aufbruch aus dem Selbstmitleid, und »Formation« das eindringlich die auf rassistischen Motiven basierenden Polizistenmorde an unschuldigen Afroamerikanern verurteilt. Black Power rules. »more

Tim Burgess & Peter Gordon: »Same Language, Different Worlds« (O Genesis/Rough Trade)
Warme, froh stimmende Basssynthesizer. Lässiger Retrofuturismus mit dem Charlatans-Frontmann und dem New Yorker Avantgarde-Popisten Peter Gordon. Akteure wie Modern Lovers-Bassist Ernie Brooks, Posaunist Peter Zummo oder Conga-Spieler Mustafa Ahmed verbreiten ergiebig Arthur Russell-Flair.

Mykki Blanco: »Mykki« (!K7/Hoanzl)
»High School Never Ends«, eine Liebesgeschichte zweier mit verschiedenen sexuellen Orientierungen, zeigt die Gewandtheit des queeren New Yorker Rappers, der sich von Lil Kims Alter Ego Kimmy Blanco inspirieren ließ. Unglaublich schön fräst sich aus dem R&B-HipHop-Flow sein souffulles Falsetto in von Streichern begleitete, lichte Höhen. Dabei ist Mykki Blancos Gebaren durchaus ambivalent. Drogen sind ihm nicht fremd und auch das Ideal der monogamen intimen Liebe wird besungen, wenngleich es unerreichbar scheint. Ein schillerndes HipHop-Album, das Trap und Post-Dubstep einbezieht.

Konono Nº1: »Meets Batida« (Crammed Discs/Lotus Records)
Der Likembe (Daumenklavier)-Sound der Band aus Kinshasa wurde vom portugiesischen Produzenten und DJ Pedro Coquenao aka Batida etwas entschärft. Dubbig-housige Soundmanipulationen mit psychedelischer Trance-Note. »more

Exploded View: »s/t« (Sacred Bones Records)
Eingefrorene Songs von Annika Hendersons Backing Band. Anikas teilnahmslose, monotone Stimme nimmt gefangen. Auf der Bühne des Wiener Brut ein Konzert des Jahres. Unterkühlter als Nico, und doch präsent.

Fatima Al Qadiri: »Brute« (Hyperdub)
Soundästhetische Kontiuität, 2016 ohne asiatischen Flavour, dafür mit kühlen Industrial Presets, die ein nicht fernes Dystopia betonen. Das um den Globus zirkulierende Finanzkapital, das der Realwirtschaft fehlt, wird nicht gebändigt. Statt zu regulieren, wird von den Mächtigen die Zivilgesellschaft unterdrückt. Ûberwachung und Militarisierung der Staatsgewalt nehmen zu. Der in den USA lebenden Künstlerin aus Kuwait gelingt es, den argen Zustand der Welt in kalte Klänge zu übersetzen. »more

Gaye Su Akyol: »Hologram ImparatorluÄŸu« (Glitterbeat/Hoanzl)
Eine Dick-Dale-Surfgitarre schon lange nicht mehr so mit türkischen Skalen verwachsen gehört. Die Gitarren imitieren Oud und Baglama – es ist türkische Rockmusik über der die Stimme von Gaye Su Akyol thront. Dort singt euler.jpgsie über die Liebe oder Weltflucht.

Swans: »The Glowing Man« (Young God Records/Mute)
Ein Opus Magnum zum Abschied. In »Cloud of Unknowing« singt Michael Gira gleichsam ein Gebet, ruft Monsteresser an, wäscht den Sohn rein, und Glöcklein klingeln anfangs des zweiten Drittels des 25-Minuten-Wälzers. Das Titelstück dauert fast 29 Minuten und auf jedem weiteren Track steigern sich die gesungenen Mantras in instrumentale Höhenflüge. Die Swans pendeln zwischen himmlischen Sphären und brachialen Abgründen. Derart in die Länge gezogen ergibt das karthatische Kaskaden des Wohlklangs.

Viv Albertine: »A Typical Girl« (Suhrkamp, Buch)
Sie ging im Sex, dem Modeladen von Vivienne Westwood/Malcolm Mc Laren, ein und aus, hatte ihre erste Band mit Keith Levine und Sid Vicious, war Geliebte von Mick Jones und mit ihren Slits Vorgruppe auf der ersten The Clash-Tour. Mit Viv Albertine kann der Leser nachholen, was er bei der Entstehung von Punk versäumte und darf sich mitten im Geschehen wähnen. Sex wurde als Dienstleistung »gelebt«, emotionales Engagement war nicht gefragt. Die Botschaft Johnny Rottens, der »alles, was mir peinlich ist, zur Tugend erhoben hat«, eignet sich auch die Slits-Gitarristin im Lauf der sagenhaft guten 471 Seiten-Autobiografie immer mehr an: »Sei Du selbst«. »more

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